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Schande

Schande

Titel: Schande
Autoren: J. M. Coetzee
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erwartet, daß ich mit ihm schlafe? Ich weiß nicht, ob Petrus mit mir schlafen möchte, außer um seine Botschaft zu unterstreichen. Aber um ehrlich zu sein, nein, ich möchte nicht mit Petrus schlafen. Auf keinen Fall.«
      »Dann brauchen wir es nicht weiter zu erörtern. Soll ich Petrus deinen Entschluß mitteilen – daß sein Angebot nicht angenommen wird, ohne weitere Begründung?«
      »Nein, warte. Bevor du dich Petrus gegenüber aufs hohe Roß schwingst, denke doch mal einen Moment objektiv über meine Situation nach. Objektiv gesehen bin ich eine alleinstehende Frau. Ich habe keine Brüder. Ich habe einen Vater, aber er ist weit weg und sowieso machtlos, was die Dinge angeht, die hier wichtig sind. Bei wem kann ich Schutz und Unterstützung suchen? Bei Ettinger?
      Es ist nur eine Frage der Zeit, wann man Ettinger mit einer Kugel im Rücken finden wird. Es bleibt praktisch nur noch Petrus. Petrus ist vielleicht kein großer Mann, aber er ist groß genug für jemanden, der so klein wie ich ist. Und Petrus kenne ich wenigstens. Ich mache mir keine Illusionen über ihn. Ich weiß, worauf ich mich einlassen würde.«
      »Lucy, ich bin dabei, das Haus in Kapstadt zu verkaufen. Ich bin bereit, dich nach Holland zu schicken. Oder aber dir zu geben, was du brauchst, um dir an einem sichererem Ort als diesem hier einen neuen Anfang zu ermöglichen. Denk darüber nach.«
      Es ist, als hätte sie ihn nicht gehört. »Geh wieder zu Petrus«, sagt sie. »Mache ihm den folgenden Vorschlag.
      Sage, daß ich seinen Schutz annehme. Sage, er kann über unsere Beziehung jede Geschichte, die er will, in Umlauf bringen, und ich werde ihm nicht widersprechen. Wenn er will, daß ich als seine dritte Frau gelte, bitte sehr. Als seine Geliebte, auch gut. Aber dann ist auch das Kind sein Kind. Das Kind gehört dann zu seiner Familie. Was das Land angeht, so kannst du ihm sagen, daß ich ihm das Land überschreiben werde, solange das Haus in meinem Besitz bleibt. Ich werde ein Mieter auf seinem Land.«
      »Ein bywoner.«
      »Ein bywoner. Aber das Haus bleibt in meinem Besitz, ich wiederhole das. Niemand betritt das Haus ohne meine Erlaubnis. Er eingeschlossen. Und ich behalte die Hundepension.«
       
     
      »Das ist nicht durchführbar, Lucy. Gesetzlich ist das nicht durchführbar. Das ist dir doch klar.«
      »Was schlägst du dann vor?«
      Sie sitzt da in Morgenmantel und Hausschuhen, mit der gestrigen Zeitung auf dem Schoß. Ihre Haare hängen glatt herunter; sie ist auf nachlässige, ungesunde Weise dick. Immer mehr nähert sie sich dem Erscheinungsbild jener Frauen, die auf den Gängen von Pflegeheimen herumschlurfen und leise Selbstgespräche fuhren. Warum sollte sich Petrus überhaupt die Mühe machen und verhandeln? Sie kann es nicht mehr lange machen: man muß sie nur sich selbst überlassen, und zu gegebener Zeit wird sie wie eine verfaulte Frucht abfallen.
      »Ich habe meinen Vorschlag gemacht. Zwei Vorschläge.«
      »Nein, ich gehe nicht fort. Geh zu Petrus und richte ihm aus, was ich gesagt habe. Sage ihm, daß ich das Land aufgebe. Sage ihm, daß er es haben kann, Besitzurkunde und alles. Das wird ihm gefallen.«
      Zwischen ihnen entsteht eine Pause.
      »Wie demütigend«, sagt er schließlich. »Solche großen Hoffnungen, und nun dieses Ende.«
      »Ja, du hast recht, es ist demütigend. Aber vielleicht ist das eine gute Ausgangsbasis für einen Neuanfang. Vielleicht muß ich das akzeptieren lernen. Von ganz unten anzufangen. Mit nichts. Nicht mit nichts als. Mit nichts.
      Ohne Papiere, ohne Waffen, ohne Besitz, ohne Rechte, ohne Würde.«
      »Wie ein Hund.«
      »Ja, wie ein Hund.«

  23. Kapitel
 
      Es ist mitten am Vormittag. Er ist draußen gewesen und hat die Bulldogge Katy ausgeführt. Erstaunlicherweise konnte Katy mit ihm Schritt halten, entweder weil er langsamer als früher ist oder weil sie schneller ist. Sie schnauft und keucht genausoviel wie sonst, aber das stört ihn offenbar nicht mehr.
      Als sie sich dem Haus nähern, bemerkt er den Jungen, denjenigen, den Petrus mit meine Leute bezeichnet hat, und er steht mit dem Gesicht zur hinteren Hauswand.
      Zuerst glaubt er, er uriniere; dann stellt er fest, daß er durchs Badfenster späht und Lucy verstohlen beobachtet.
      Katy hat zu knurren angefangen, aber der Junge ist zu vertieft, um es mitzubekommen. Als er sich umdreht, sind sie schon da. Er schlägt dem Jungen mit der Hand ins Gesicht. »Du Schwein!«
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