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Scham und Schamlosigkeit: Die wahre Geschichte der Marianne Dashwood (German Edition)

Scham und Schamlosigkeit: Die wahre Geschichte der Marianne Dashwood (German Edition)

Titel: Scham und Schamlosigkeit: Die wahre Geschichte der Marianne Dashwood (German Edition)
Autoren: Meike Nilos
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war. Nichts, außer dem aufgelösten Mädchen in dem Ohrensessel. Die gedämpften Geräusche des Balls drangen in mein Bewusstsein und ich sprang auf, richtete meine Kleider und mein Haar, wischte mir die Tränen von den Wangen. Schwer atmend ging ich auf und ab, jeder schmerzende Schritt rief mir ins Bewusstsein, was Willoughby mit mir getan hatte – was ich getan hatte, und was ich wieder tun wollte. Ich konnte nicht zurück, ich wollte mehr.
    Als ich den Ballsaal wieder betrat, war Willoughby auch dort nicht mehr zu sehen, aber Elinor eilte sofort zu mir, als sie mich entdeckte. Sie war in fröhlicher, fast ausgelassener Stimmung und hakte sich bei mir unter. Offenbar hatte sie meine lange Abwesenheit gar nicht bemerkt, denn sie begann aufgeregt von einem Mr Ferras zu erzählen, bei dem es sich um ihren blassen, langweiligen Tanzpartner gehandelt haben musste.
    Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, war ich doch viel zu aufgewühlt nach dem unbeschreiblichen Erlebnis in der Bibliothek. Wie hatte Willoughby es nur bewerkstelligt, das Buch und die Schatulle dort zu platzieren? Und was wäre gewesen, wenn uns jemand überrascht hätte? Hatte Willoughby etwa einen Helfer gehabt, jemanden, der die Sachen dorthin gebracht und der womöglich gar vor der Tür Wache gestanden hatte? Ein Schwindel überfiel mich und ich musste mich an Elinor festhalten, um nicht zu Boden zu sinken.
    Erst jetzt betrachtete mich meine Schwester genauer. “Marianne, was ist dir?” Sie führte mich zu einem Stuhl und ich ließ mich kraftlos darauf nieder. “Du bist rot wie eine Tomate. Hast du dich beim Tanzen zu sehr erregt?”
    Ich schluchzte auf und presste mir ein Taschentuch auf Mund und Nase. Wenn jemand Zeuge meiner unschicklichen Liaison gewesen war, wäre meine Familie entehrt. Sie würden mich verstoßen und ich würde in der Gosse landen. Ein gefallenes Mädchen.
    “Miss Elinor, kann ich Ihnen behilflich sein? Fühlt sich Ihre Schwester nicht wohl?”
    Oberst Brandons besorgte Anteilnahme trieb mir die Tränen in die Augen. Auch Mutter war zu uns geeilt und befühlte meine Stirn. “Sie ist ganz fiebrig”, sagte sie. “Verzeihen Sie, Mr Brandon, aber wir müssen Marianne nach Hause bringen.”
    “Selbstverständlich”, antwortete er. Er winkte einen Diener heran und gab ihm Anweisungen, die ich nicht hören konnte. Dann begleitete er uns zum Ausgang und ließ es sich nicht nehmen, uns persönlich in seiner Kutsche zu unserem Cottage zu bringen.
    Ich reichte ihm zum Abschied die Hand und dankte ihm mit einem Nicken, aber ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. Niemals wieder würde ich irgendjemandem in die Augen sehen können.
    Ich ging sofort zu Bett, vergrub mein Gesicht in den dicken Kissen und weinte. Dabei presste ich meine Hand fest zwischen meine Beine und genoss den Schmerz, den die Verbrennungen des heißen Wachses noch immer verursachten und flüsterte Willoughbys Namen. Was hatte er nur aus mir gemacht? Und warum konnte ich mich ihm nicht entziehen? Warum konnte ich es nicht einmal wollen?
     

9
    Die nächsten Tage verbrachte ich im Bett. Wenn ich nicht weinte, starrte ich an die Zimmerdecke und haderte mit meinem Schicksal. Elinor kümmerte sich rührend um mich, ich konnte in ihren Blicken lesen, wie sehr sie sich um mich sorgte, aber wie es ihre Art war, bedrängte sie mich nicht zu reden. Dass ich nicht ernsthaft erkrankt war, musste ihr klar gewesen sein. Mutter wollte nach dem Arzt schicken lassen, aber meine Schwester hatte ihr gesagt, dass das nicht nötig sei. Und sie hatte recht. Meine Krankheit konnte nicht Medizin behandelt werden.
    “Irgendwann wirst du darüber reden müssen, Marianne”, sagte sie am dritten Tag meiner Bettlägrigkeit. “Unausgesprochene Herzensqualen können einen Menschen von innen heraus zerfressen wie ein Geschwür.”
    Ich schüttelte den Kopf und schob ihre Hand beiseite, mit der sie nach meinem Handgelenk gegriffen hatte. Niemals würde ich darüber reden können. Ich durfte nicht darüber reden. “Ich kann nicht”, flüsterte ich. “Es tut mir unendlich Leid, dass ich dir so viel Kummer bereite.”
    Sie strich mir eine Strähne aus der Stirn und lächelte, aber ihre Augen blickten besorgt wie zuvor. “Ist es Mr Willoughby? Ich habe gesehen, wie er mit einer jungen Frau tanzte, während du …”
    “Nicht”, fiel ich ihr ins Wort. “Bitte, Elinor, lass uns nicht über den Ball reden.” Wie immer hatte sie den Grund meiner Grübeleien geahnt. Nur, dass es keine
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