Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schakale Gottes

Titel: Schakale Gottes
Autoren: Bergius C.C.
Vom Netzwerk:
er und betrachtete den Edelstein durch die Lupe. »Daß es so etwas gibt! Ich wünschte, mein Vater könnte diese Pracht sehen. Er ist Juwelier in Warschau. Ich weiß daher gut Bescheid. Ein Vermögen würde dieses Exemplar kosten. Die Inder nennen den Rubin ›Herr der Edelsteine‹.« Er legte ihn fort und griff nach einem Saphir. »Schauen Sie sich nur diese Farbe an! In der persischen Mythologie heißt es, daß die Erde auf einem riesigen Saphir ruht, dessen Schein den Himmel blau färbt.« Er hielt den Stein vor die Lupe, wurde für eine Weile ganz still und sagte schließlich erregt: »Dieser Saphir wurde aus einer Fassung heraus gebrochen. Ich sehe das. Er ist beschädigt. Und das beweist, daß wir es mit Diebesgut zu tun haben.« Er nahm die Lupe vom Auge. »Wie hätte es auch anders sein können. Eine solche Menge …« Mit hastigen Bewegungen schob er die Edelsteine in den Seidenbeutel zurück. »Nein, damit will ich nichts zu tun haben. Und ich flehe Sie an, niemandem zu sagen, daß Sie bei mir waren. Mit der Ochrana möchte ich keinesfalls in Konflikt geraten.«
    »Mit der Ochrana?« fragte Tadeusz erschrocken. »Wie kommen Sie darauf?«
    Der Uhrmacher schaute ihn fast mitleidig an. »Sie scheinen wirklich nicht zu wissen, daß diese Steine«, er tippte auf den Beutel, »mit einer Million nicht aufzuwiegen sind. Der Schmuck muß, anders kann ich es mir nicht erklären, aus einem Kirchenschatz stammen. Verstehen Sie nun, weshalb ich ›Ochrana‹ sagte?«
    Der Büttel bekreuzigte sich. »Heilige Maria, steh mir bei! Was soll ich tun? Wohin mit dem Zeug?«
    Der Uhrmacher hob die Schultern. »Das ist Ihre Sache.«
    Tadeusz Minka hörte die Antwort wie ein Echo, das von vielen Felsen zurückgeworfen wird. Ihre Sache …! Ihre Sache …! Der Uhrmacher hatte gut reden. Dabei hatte er eben noch enthusiastisch erklärt, der Saphir färbe den Himmel blau. Und der Rubin sei der ›Herr der Edelsteine‹. Als wenn das … Sein Atem stockte. Was hatte der Uhrmacher gesagt? Der Schmuck müsse aus einem Kirchenschatz stammen!
    Seine Gedanken überschlugen sich. Im Geiste sah er das Bildnis der Muttergottes. Die Muttergottes ist die Königin Polens! Regina Poloniae! Und ihr Bild im Kloster Jasna Góra wurde schon oft wundertätig!
    Tadeusz Minka war es, als streife ihn ein Hauch der Madonna. Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. Natürlich, das war die Lösung! Wenn er den Mönchen, die auf dem Weißen Berg oberhalb von Czenstochau lebten, den Schmuck übergab, ohne jemandem etwas davon zu sagen, dann war er alle Sorgen los und hatte die Gewißheit, daß ihn der Fund niemals belastete. Hingegen würden die Juwelen, wenn er sie bei der russischen Sicherheitspolizei ablieferte, bestimmt verschwinden.
    Spontan ergriff er die kleine Hand des Uhrmachers. »Sie haben recht: Wohin mit den Steinen, das ist meine Sache!« Fast übermütig stülpte er sich die Mütze auf und stürmte mit geröteten Wangen aus dem Laden.
    Der Bauer Jósef konnte nur staunen. So hatte er den Dorfbüttel noch nicht erlebt. Mit dem Elan eines jungen Mannes schwang der sich auf den Wagen. »Was ist passiert?« fragte er verblüfft.
    Tadeusz lachte. »Ich bin einem Engel begegnet.«
    »Ach, nó«, sagte Jósef trocken. »Hatte er eine freudige Botschaft für dich?«
    »Ja! Er gab mir den Auftrag, unverzüglich zum Kloster der Pauliner zu fahren. Zieh also die Leine und tritt dein Pferdchen in den Hintern.«
    »Soll ich im Ernst da raufkutschieren?«
    »Hätte ich es sonst gesagt?«
    »Und was ist mit der Suppe, die du mir versprochen hast?«
    »Die kriegst du. Von mir aus sogar zwei oder drei Teller. Erst müssen wir aber meinem Engel folgen.«
    Der Bauer kicherte. »Möchte wissen, was deine Frau dazu sagt.«
    Lachend fuhren sie davon. Der Weg war nicht weit und führte über eine leicht ansteigende Straße direkt auf das Kloster zu, das auf der Höhe eines mächtigen Hügels errichtet und zu einer Festung ausgebaut worden war. Von weitem erinnerte es an jene Burgen, die zu Weihnachten in Spielwarengeschäften ausgestellt sind. Hinter einem aus roten Ziegeln gemauerten Verteidigungswall, der von vorspringenden Bastionen flankiert wurde, erhoben sich die Baulichkeiten des Klosters, die an diesem Tag im warmen Licht der Mittagssonne besonders imposant wirkten. Der Turm der Basilika reckte sich wie ein warnend erhobener Finger in den wolkenlosen Himmel hinein. Seine unterschiedlichen Stilelemente verrieten, daß jahrhundertelang an ihm gebaut
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher