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Schäfers Qualen

Schäfers Qualen

Titel: Schäfers Qualen
Autoren: G Haderer
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gut erhalten. Und was die Zeit unter der Erde betrifft, musst du dich vorerst mit einer groben Schätzung zufrieden geben: fünfzehn Jahre auf jeden Fall, und da ich eine Amalgamfüllung gefunden habe, höchstens 190 Jahre.“
    „Was, 190?“
    „Für eine 14C-Methode braucht es ein wenig länger, lieber Freund, und da es Amalgamfüllungen erst seit Anfang des 19. Jahrhunderts gibt, muss dir das einstweilen reichen … Na gut, wollen wir mal nicht so sein: Wenn du halbwegs logisch denkst und der Sohn des Knochenmanns weilt noch unter den Lebenden und ist unter fünfzig, dann hat sein Vater ihn aufgrund seines frühen Ablebens relativ jung gezeugt, comprende?; also liegt sein Vater in etwa dreißig bis fünfzig Jahre unter der Erde. Geboren 1955, gestorben 1980 zum Beispiel, damit du dich irgendwo festhalten kannst.“
    Schäfer, der tatsächlich Schwierigkeiten hatte, dem Gerichtsmediziner zu folgen, nickte stumm.
    „Hast du eigentlich irgendwo ein paar Schmerztabletten herumliegen?“
    „Für das Bein?“
    „Ja, können aber auch gegen Kopfweh sein, ich bin da nicht so wählerisch.“
    „Warte einen Moment.“
    Schäfer setzte sich neben den Kaffeeautomaten und ließ sich durch den Kopf gehen, was Konopatsch ihm eben erzählt hatte. Na ja, es klang logisch und es passte zu seiner Theorie, das reichte ihm schon.
    „Da, nicht mehr als drei pro Tag“, gab ihm Konopatsch eine Tablettenschachtel in die Hand.
    „Sonst?“
    „Sonst lass ich dich ausstopfen und am Vorplatz von den Tauben zuscheißen … Ist noch was? Ich muss nämlich noch ein bisschen sägen.“
    „Na dann, gute Nacht … und danke dir.“
    „Schon gut“, winkte Konopatsch ab, drehte sich um und war schon im Aufzug verschwunden.

46
    Je näher er Kitzbühel kam, desto stärker wurde seine Angst. Er saß allein in einem Abteil. Mit zittrigen Händen las er in der Broschüre eines Reiseveranstalters, die auf dem Sitz gelegen hatte. Er prägte sich die Ausstattungssymbole der Hotels ein und verglich diese untereinander. Ägypten hatte ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis … aber diese Luxuslager mitten in der Wüste … Die Abteiltür wurde geöffnet. Ein Araber, der einen Servierwagen vor sich her schob, fragte Schäfer, ob er etwas zum Trinken oder einen Snack wolle. Schäfer nahm einen Nescafé. Er wartete ein paar Minuten, dann ging er mit dem Becher und seinen Zigaretten auf die Toilette. Wie ein Schüler, dachte er, während er auf dem Klodeckel saß und zwei Zigaretten hintereinander rauchte. Mittlerweile würden wahrscheinlich die Untersuchungen der Ballistiker vorliegen. Aber was sollte er damit anfangen. Was könnten sie noch ändern?
    Er musste jetzt bald eine Entscheidung treffen. Großalarm oder kleine Falle. Recht oder Rache. Wen wollte er denn rächen? Radner, sein heldenhaftes Alter Ego? Oder sich selbst … seine Wut, die ihn aus diesem Ort vertrieben hatte? Die Verletzungen, für die er doch letztendlich selbst verantwortlich war? Er sah sich das Fenster an, das sich nicht öffnen ließ, legte sein Ohr an die Tür und verließ die Toilette. Den Rest der Fahrt verbrachte er stehend. Hätte er doch nur eine Tablette genommen, ärgerte er sich. Dann würde der Schmerz wenigstens einen Teil seiner Wahrnehmung beanspruchen. Der Zug fuhr in den Bahnhof ein. Schäfer, der schon einige Minuten damit verbracht hatte, durch das Türfenster in die Nacht zu starren, drückte den grünen Knopf zu seiner Rechten und stieg aus. Er brauchte ein Auto. Bis zu Pfarrer Danninger war es ein Fußmarsch von gut zwanzig Minuten. Schlecht für sein Bein, doch die Bewegung würde ihm wie immer guttun. Danninger öffnete so schnell, dass Schäfer vermutete, der Pfarrer hätte den ganzen Abend auf ihn gewartet. Aber nicht, um sein Auto zu verleihen, wie Schäfer sehr bald klar wurde.
    „Du willst doch so nicht Auto fahren?“
    „Wie, so?“
    „Na, schau dich an: Du gehörst ins Bett.“
    „Ich bin müde, ja, aber ich kann leicht noch fahren. Außerdem muss ich nicht weit.“
    „Nein, das kann ich nicht verantworten. Deine Eltern …“
    „Hör bitte auf mit meinen Eltern, hier geht’s um Gerechtigkeit …“
    „Ach, Gerechtigkeit, und wieso nimmst du dann keinen Streifenwagen? Du bist der Major, da werden sie dir doch wohl einen Dienstwagen zur Verfügung stellen, oder?“
    „Zacharias“, begann Schäfer zu verzweifeln, „bitte. Ich brauche das Auto!“
    Der Blick des Pfarrers wurde traurig.
    „Wenn du nur keinen Blödsinn machst“,
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