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Scary City, Band 1: Das Buch der Schattenflüche, Scary City 1 (German Edition)

Scary City, Band 1: Das Buch der Schattenflüche, Scary City 1 (German Edition)

Titel: Scary City, Band 1: Das Buch der Schattenflüche, Scary City 1 (German Edition)
Autoren: Michael Borlik
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mich nur so. Seit vier Uhr früh war ich auf den Beinen und die sechsstündige Zugfahrt gab mir gerade den Rest. Das dumpfe Rauschen des Fahrtwinds, der sich am Zug rieb, machte mich schläfrig, sodass mir immer wieder die Augen zufielen. Ich fühlte mich erschöpft, antriebslos. Meine Hände zitterten. Am liebsten hätte ich auf der Stelle losgeheult, aber diese Schwäche durfte ich mir nicht auch noch geben. Ich zwang mich, die Lider offen zu halten, und starrte auf den leeren Sitz mir gegenüber. Königsblau. Doch kein Muster, dem ich mit den Augen hätte folgen können. Keine Ablenkung. Doch es gab noch einen anderen Weg, mich wach zu halten.
    Ich brauchte bloß an die vergangenen Tage zurückzudenken und schon kochte die Wut in mir hoch. Es war alles so verdammt unfair, dass ich auf der Stelle hätte losschreien können. Freunde, pah! Solange du bist wie sie, solange du denkst wie sie, ist alles gut. Aber wehe, du bist anders. Na schön, ich war sehr viel anders. Ich hatte ihnen nie auch nur ein einziges Haar gekrümmt und trotzdem behandelten sie mich mit einem Mal wie ein Monster. Ich selbst konnte doch wohl am wenigsten dafür, wer ich war. Natürlich hatte sie das nicht interessiert. Ihre höhnischen Worte, ihre hasserfüllten Gesichter verfolgten mich bis in den Schlaf. Eigentlich sollte man meinen, dass ich nach all den Jahren besser damit umgehen könnte. Doch die Wahrheit ist, dass man sich nie wirklich an so etwas gewöhnt. Und das alles nur, weil sie das mit Evelyn Gramstone herausgefunden hatten.  
    Ich drückte meine Stirn gegen das kühle Glas des Zugfensters. Es milderte das Pochen hinter meinen Schläfen, während ich mit trägem Blick auf die vorüberziehende Landschaft starrte. Saftige Sommerwiesen. Grüne Hügel. Die Lowlands. Wunderschön. Nur hie und da ragten alte, rußgeschwärzte Ruinen aus der Landschaft auf. Mahnmale eines lange zurückliegenden Krieges. Wie nur?, fragte ich mich. Wie hatten sie es herausgefunden? Von alleine konnten sie unmöglich dahintergekommen sein, dass Gramstone meine Großmutter war. Dafür hatte meine Familie ihren Namen schon zu oft gewechselt. Jemand musste mich verraten haben. Verdammt, man konnte wirklich niemandem trauen!
    Ich hatte wirklich allen Grund, dieses Leben zu hassen. Zehn Jahre auf der Flucht. Meine gesamte Kindheit. Dann der Tod von Grandma, der uns allen Hoffnung auf Frieden gab. Doch was für ein Irrtum. Jedes Mal wenn unsere Nachbarn herausfanden, wer ich bin, mussten wir wieder verschwinden. Nun war es einmal mehr so weit. Bestimmt hatte die Direktorin längst Mum und Dad darüber informiert, dass ich gestern vom Internat geflogen war. Sie hatte doch nur nach einem Vorwand gesucht und Lewis’ gebrochene Nase hatte ihr diesen geliefert. Aber niemand nennt mich ungestraft eine dreckige Hexenschlampe.  
    Meine Eltern wurden im Moment vermutlich von einer Panikattacke nach der anderen heimgesucht. Immerhin war meine Tarnung aufgeflogen. Was das bedeutete, konnte ich mir an allen zehn Fingern ausrechnen: wieder eine neue Stadt, wieder ein neuer Name, wieder keine Freunde. Allein bei der Vorstellung legte sich eine frostige Schicht aus Raureif um mein Innerstes. Ich wollte doch nur so wenig und ich fand, ich hatte es verdient. Ich sehnte mich, wonach sich jedes siebzehnjährige Mädchen sehnt: eine beste Freundin, die mit mir lacht und weint, einen festen Freund, der mich in den Arm nimmt, wenn mir danach zumute ist, ein echtes Zuhause, das mich jeden Tag aufs Neue willkommen heißt. Ich hatte nichts davon. Jedenfalls nicht wirklich.  
    Die Abteiltür wurde ruckartig aufgerissen und ich schrak heftig zusammen. Aber es war bloß der Schaffner. Nur was für einer. Kaum älter als ich. Honigblondes, leicht zerzaustes Haar. Eben verboten gut aussehend. Sein Anblick hob meine miese Laune ein wenig und ich lächelte beinahe gegen meinen Willen.  
    »Hallo, hübsche Lady.« Er zwinkerte mir fröhlich zu. »Darf ich deine Fahrkarte sehen?«
    »Eine Sekunde.« Ich fischte sie aus der Seitentasche meines Rucksacks und beugte mich vor, um sie ihm zu geben, als der Zug eine Weiche passierte. Der ganze Wagen ruckelte so stark, dass ich aus meinem Sitz plumpste und dem süßen Schaffner direkt vor die Füße. Heute blieb mir auch nichts erspart. Doch er war ganz Gentleman und reichte mir eine Hand. Sein Griff war kräftig, aber sanft. »Alles okay bei dir?«  
    Ich nickte stumm.
    »Kein Grund, gleich rot zu werden. Ich bin es gewohnt, dass die Mädchen
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