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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest
Autoren: Steffi Wolff
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Haus ze gieße, das wollt isch mit meine eischene Hänn baue. In Saarbrigge.« Bekräftigend zeigt er mir seine großen, rissigen Hände mit den schmutzigen Fingernägeln.
    Oh, Bernie, da wird sich Annkathrin aber freuen. Ein Haus in
Saarbrücken
!
    Ich fasse es nicht. Dieser Mensch hat so viel Ahnung von meiner Freundin wie eine Kerze von der Elektrizität. Aber da Annkathrin der einzige Mensch auf dieser Welt ist, der mir etwas bedeutet, verzichte ich darauf, ihr diesen Mann madig zu machen. Ich sage
auch nichts zu dem Haus. Ich bezahle sogar Bernies Rechnung und ziehe ihn dann aus der rosafarbenen Bar.
    »Nitt ähner änzischer Mann hat misch aangeschproch«, beschwert sich Bernie. »Die hann bestimmt gemerkt, dass ich ganz durschenanner bin.«
    Oder sie haben instinktiv gespürt, dass du nicht der Hellste bist, Bernie, und ein wenig Reststolz hatten sie auch noch, was einen One-Night-Stand mit dir betrifft.
    »Ich bring dich jetzt nach Hause«, sage ich also nur und verfrachte Bernie in Isoldes Auto, das ich selbstverständlich ungefragt genommen habe. Ich fahre extra nur im ersten Gang, weil das den Motor vielleicht schneller verrecken lässt. Isolde hätte es verdient.
     
    Die Hochzeit findet dann natürlich doch statt, so wie ich es prophezeit habe. Ich werde nie verstehen, warum Menschen um zwei Leute, die lediglich jeweils »Ja« sagen müssen, so ein Gewese machen. Am Donnerstag setze ich mich in mein mittlerweile gereinigtes Taxi und fahre Richtung Nordhessen. Dabei höre ich laut Musik von Van Halen, weil ich mich nicht von den Außengeräuschen hupender Autos oder nahender Notarztwagen ablenken lassen möchte. Ich gerate in einen Stau und benutze selbstverständlich als Einzige den Standstreifen, weil es da lustig zugehen kann, wenn man Rettungsfahrzeuge blockiert oder Autos streift, die korrekt auf der Fahrbahn geblieben sind. Meistens stehen die Wagen so eng hintereinander, dass niemand auf den Standstreifen ausscheren und mich verfolgen könnte. Ich stelle mir immer vor, wie die Leute fluchen und sich gegenseitig die Schuld geben, weil ich ja nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden kann. Das verursacht in mir eine Art Glücksgefühl, aber meistens nur sehr, sehr kurz, weil ich auch dagegen ankämpfe. Ich höre übrigens auch mit großer Freude Verkehrsnachrichten, und es kam in der Vergangenheit nicht nur einmal vor, dass ich kurzfristig von einer staufreien auf eine staugequälte Autobahn abgebogen
bin, nur weil der Moderator sagte: »Auf der A noch was gibt es momentan fünfzehn Kilometer Stau. Achtung, das Stau-Ende befindet sich hinter einer Kurve.« Immerhin könnte
ich
diejenige sein, die in das Stau-Ende hineinrast. Man muss die Dinge doch nehmen, wie sie kommen. Aber ich habe immer Glück. Auch heute. Auf dem Standstreifen will kein Rettungsfahrzeug an mir vorbei, und es steht auch kein LKW quer, was zur Folge hat, dass ich am Spätnachmittag pünktlich auf der Sababurg eintreffe.
    Schon die Zufahrt ist mit roten und weißen Blumen geschmückt, und Annkathrins Onkel, der Hans-Günther heißt, aber von allen nur Hansemann genannt wird, wie sie mir erzählt hat, steht in der Einfahrt mit einer Kelle in der Hand und weist die Autos ein, die eintreffen. Er trägt eine orangefarbene Jacke mit Leuchtstreifen drauf und sieht aus wie ein engagierter Hilfspolizist. Es stehen auch schon ein paar Fahrräder da, also nehme ich an, dass ein Teil der Verwandtschaft aus dem Saarland bereits eingetroffen ist. Wahrscheinlich sind die Ersten an Neujahr losgefahren, um einigermaßen pünktlich anzukommen. Ich steige aus und schaue mich um. Verdammte Scheiße, ist das schön hier. Das ist ja beinahe zu schön, um wahr zu sein. Diese Burg sieht in der Tat aus wie aus einem Märchen gehopst, alles blüht und wirkt total gepflegt. Ich passe hier nicht hin, stelle ich fest, während ich meine Koffer zur Rezeption schleppe. Ich fühle mich noch mehr fehl am Platz, nachdem die Empfangsdame mich freundlich angelächelt, mir meinen Zimmerschlüssel überreicht und mir einen angenehmen und schönen Aufenthalt gewünscht hat. Sie ist ein wenig irritiert, weil ich nicht »Danke« gesagt habe, aber ich kann nicht danke sagen. Danke klingt, als wolle man sich bedanken für etwas, und ich will mich für gar nichts bedanken. Ich hab ja auch nichts gefordert, ich bin ja zu dieser Hochzeit eingeladen und bin Trauzeugin, worum ich nicht gebeten habe, da sag ich doch nicht danke. Stattdessen gebe ich ein knurrendes Geräusch
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