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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest
Autoren: Steffi Wolff
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scheint zu spüren, was ich vorhabe. Er sieht auf einmal gar nicht mehr aus wie ein Trottel, sondern wie ein echter Wolf. O mein Gott, fletscht er etwa die Zähne? Ich schaue noch einmal hin, aber da blickt der Heuler mich so treu und brav an wie eh und je. Ich hocke da und starre verwirrt hinter ihnen her. »Wo geht er denn hin?«, fragt Ännchen, die ausnahmsweise mal nicht »Hans. Hans. Hans« sagt.
    »Keine Ahnung«, sagt William und kratzt sich wie gewöhnlich am Kopf. »Er war ja der Einzige, der von außerhalb kam. Wo wohnt er denn? Weiß das jemand?«
    Allgemeines Kopfschütteln.
    »Ich habe eine Extra-Anzeige aufgegeben«, sagt Annkathrin. »Und ich fand, dass er unglaublich gut zu meinen Plänen passte. Auch wegen des Wolfs.« »Haijooo«, sagt Bernie.
    Ich sage gar nichts und schaue immer noch Hubertus hinterher. In der Tür dreht er sich langsam um, und der Heuler auch.
    »Dann bis irgendwann«, sagt er leise, und der Heuler schaut mich weise und mit schräggestelltem Kopf an. Hubertus lächelt uns zu, und ich kann deutlich seine Zähne sehen. Rechts und links sind sie recht spitz, so wie bei einem Vampir. Das war mir vorher noch gar nicht aufgefallen.
    Aber … Vampire gibt’s doch gar nicht.
    Mir wird kalt, ich möchte aufstehen und ihm hinterherrennen,
aber ich bleibe wie gelähmt sitzen und tue gar nichts, weil ich fassungslos bin und nichts kapiere. Außerdem scheint mich irgendeine höhere Macht daran zu hindern.
    Noch nicht mal als ich wütend werde und in meine alten Muster zurückfallen möchte, funktioniert es. Ich lächle den anderen zu und höre mich selbst sagen: »Dann ist das so. Nun lasst uns weiterfeiern.«
    »Oha«, sagt Kilian bewundernd. »Ich glaube, da hat was gefruchtet.«
    »Man wird sehen«, Friederike zweifelt noch. »Aber es besteht immerhin der Funken einer Hoffnung.«
    Und Goske sagt: »Um ehrlich zu sein, ich hab mich auf der Klassenfahrt ja auch wirklich scheiße verhalten. Aber jetzt wollen wir das nicht wieder aufdröseln. Außerdem habe ich künstliche Maden im Bein, und wer hat das schon? Helene, wenn du mich morgen dann doch zu einem Arzt fahren würdest?«
    Ich nicke und sage: »Aber sicher, Goske. Das mache ich doch herzlich gern.«
    Es ist, als ob ich ein anderer Mensch geworden wäre.
    Und es hält an. Der Zustand bleibt.
    Warum, das kann ich nicht sagen. Es ist mir selbst unerklärlich.

 
    Seitdem hat nie wieder jemand etwas von Hubertus und dem Heuler gehört oder gesehen. Im Radio kam
    irgendwann mal die Durchsage, dass der Wolf, der im Reinhardswald gesichtet wurde, das Gebiet wohl verlassen haben muss.
    Manchmal, wenn ich nachts nicht schlafen kann und mich in meiner Wohnung ans Fenster stelle, da höre ich ab und zu ein diffuses Heulen, das von weither kommt und doch ganz nahe zu sein scheint.
    Dann hab ich fast das Gefühl, der Heuler wäre ganz in der Nähe und gäbe auf mich acht. Und es kommt vor, oft im Winter, da sehe ich zwischen den Straßenlaternen einen länglichen Schatten, und wenn ich genauer hinschaue, leuchten zwei gelbe Augen auf. Und wenn ich mich ganz stark konzentriere, sehe ich daneben noch jemanden stehen und höre ihn leise etwas sagen, mit einer Stimme aus Zedernholz.
    Es kann aber auch sein, dass ich mich irre.
    Vampire gibt es doch gar nicht.
    Vielleicht kommt Hubertus ja doch irgendwann zurück zu mir. Ich hoffe es so sehr!
    Dass er mich vergessen hat, glaube ich nicht.
    Denn so eine wie mich, die vergisst man nicht.

DANK AN
    Ute Gent vom Saarländischen Rundfunk für die Sprachberatung.
    Haijooo!
    Susanne Halbleib dafür, dass sie das alles mitmacht.
    Matthias Birkelbach für die Flugobjekte.
    Meinem Weinhändler für prompte Sonderlieferungen.
    Bettina und Anja Keil. Eine Fräschhait!

Impressum
    Covergestaltung: bürosüd, München
    Coverfoto: Getty Images / Dea / A. Dagli Orti
    © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 2010

     
    Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
    Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
    ISBN 978-3-10-400722-9



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