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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest
Autoren: Steffi Wolff
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nie leiden. Er war ein Schmierlappen und hat sich auch jenseits der sechzig noch das Resthaar eingegelt, was total lächerlich aussah.
    »Wo ist Bernie eigentlich?«, will ich wissen.
    »In einer Schwulenbar«, werde ich aufgeklärt.
    »Wieso das denn?«
    Annkathrin hebt ratlos beide Hände. »Er meinte, er könne momentan keine Frauen mehr sehen. Er sagte, wir würden ihm mental zu sehr zusetzen. Dabei wollten wir doch nur mit ihm die
    Sachlage diskutieren.«
    »Welche Sachlage denn?«
    »Na, meine Zweifel. Bernie meinte, das würde ja kein normaler Mensch aushalten, wenn es seit dem frühen Morgen nur um das eine Thema geht. Außerdem ist Bernie sauer auf mich.«
    »Ach was.« Ich schüttele den Kopf.
    »Seine Verwandtschaft kommt doch extra aus Saarbrücken und Worms.«
    »So weit ist das ja auch nicht in die Kasseler Gegend.« Herrje, Probleme hat die Menschheit. Eigentlich wäre ich ganz froh, wenn die Hochzeit ausfällt. Am Wochenende sind die Einnahmen höher.
    »Aber die meisten fahren doch mit dem Fahrrad. Ich hab dir doch erzählt, wie gesundheitsbewusst sie sind. Sie ernähren sich alle
makrobiotisch und werden zu wilden Tieren, wenn sie sich nicht ausreichend bewegen können.«
    Ja, Annkathrin, du hast es mir erzählt. Mehrfach. Ich weiß auch, dass Bernies Mutter Menschen verachtet, die Alkohol nur anschauen, und ja, Annkathrin, du hast mir auch erzählt, dass sie kein Leitungswasser trinkt, weil die Rohre aus Blei sein könnten. Ich wusste allerdings nicht, dass die Verwandtschaft von Saarbrücken und Worms aus mit dem Rad nach Hofgeismar anreisen wollte. Das muss sie ja jetzt auch gar nicht mehr, weil Bernie hoffentlich für immer in dieser Schwulenbar bleibt und diese Hochzeit eh ins Wasser fällt.
    »Also, wenn ihr mich fragt … «, fängt Isolde an, »wenn ihr mich fragt, sollten wir die Hochzeit auf jeden Fall durchziehen. Trennen kann man sich danach immer noch. Immerhin sprechen wir über einen Gesamtbetrag von ungefähr zwanzigtausend Euro.
    Wirklich, allein die
Torte
, was die gekostet hat! Und ich bin mir sicher, die Hotelzimmer auf der Burg, die kann man auch nicht mehr kostenfrei stornieren. Alles andere auch nicht. Das Menü, das Menü, wie lange haben wir uns darüber den Kopf zerbrochen.
    Du wolltest ja keinen Fisch, Kind, dabei gibt es da die leckere Reinhardswaldforelle. Jetzt gibt es Wild, nur Wild aus heimischen Wäldern, und Klöße, und eine rustikale Sahne-Kartoffel-Suppe, und dann gibt es ja auch noch … «
    »Ist das makrobiotisch?«, frage ich scheinheilig und würde jetzt lächeln, wenn ich wüsste, wie das geht. »Habt ihr daran gedacht, für die Saarbrücker Verwandtschaft ein bisschen zerquetschtes Getreide aus biologischem Anbau zu bestellen? Und ein paar Äpfel von glücklichen Bäumen?«
    Isolde und Annkathrin starren mich an. Ich bin mir sicher, dass daran
nicht
gedacht wurde. Jetzt haben sie noch ein Thema, über das sie sich stundenlang unterhalten können.
    Ich für meinen Teil werde jetzt gehen und Bernie holen. Ich kenne Annkathrin nämlich schon sehr lange und sehr gut. Ich weiß, wie sie manchmal ist. Und ich weiß, dass sie ihn heiraten wird.
Außerdem ist mir das jetzt alles zu viel Zirkus. Da verzichte ich lieber auf die Wochenendeinnahmen und ziehe diese beknackte Hochzeit durch.
     
    Bernie hockt in einer rosafarbenen Kneipe auf einem rosafarbenen Drehstuhl an einem rosafarbenen Tresen und trinkt einen rosafarbenen Cocktail. Die Beleuchtung ist so eingestellt, dass selbst der Barkeeper rosa ist. Bernie auch und ich mit Sicherheit ebenfalls. Bernie passt so wenig hierher wie ein Geburtshelfer in die Gerichtsmedizin. Es ist fast schon lächerlich, wie er dasitzt und fast heult mit seinen wässrigen Augen und seinem tumben Blick. Mich würde mal interessieren, welchen IQ Bernie hat. Wahrscheinlich den einer Steckrübe.
    »Isch liewe se doch«, sagt Bernie. »Isch hann ihr doch jeder Wunsch vunn de Aue abgeläs, unn isch werre’s aach weiderhin mache. Jo, awwer do kummt’s ums Eck unn saat, es wisst net, ob das alles sei Rischtischkät hat. Seit heit morje hann isch mit ihr unn ihrer Mudder do gehuckt unn rumgeschwafelt. Do wird mer doch wahnsinnisch.« Er sieht mich ratlos an. »Was solle mer jetz mache? Kannscht du mer das saan?«
    Stell diesen Dialekt ab, Bernie. Das ist das Erste, was du machen solltest.
    »Un isch wollt’s doch aach üwwerrasche mit emme rischtisch große Geschänk. Isch hann nämlisch schunn aangefang, e Fundament fier unser eischenes
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