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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest
Autoren: Steffi Wolff
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sie
einmal
in einem Burgrestaurant eine warme Mahlzeit zu sich nimmt. Isolde bestellt »Knotschi und davor ein Konn Somme«, was ich peinlich finde, aber außer mir scheint es niemanden zu stören, was mich zur Vermutung veranlasst, dass keiner der Anwesenden die Namen dieser Gerichte richtig aussprechen könnte.
    Noch sind nicht alle Hochzeitsgäste eingetroffen. Es sind nur ein paar Personen hier, natürlich aber Bernie und einige seiner Saarländer Verwandten und Freunde, die an allem, wirklich an
allem
etwas auszusetzen haben. Die einen jammern über schlecht in Schuss gehaltene Straßen und Schotteranhäufungen während der Herfahrt, die anderen winseln herum, weil es keine ausgewiesen makrobiotische Kost gibt. Einige stehen auf und kratzen Moos von der alten Mauerwand, um es dann zu essen, weil wenigstens das aus natürlichen Zutaten besteht. Mir war schon immer egal, was es zu essen gibt, deswegen achte ich gar nicht darauf, was ich zu mir nehme. Mir ist nur wichtig, dass es
nicht
schmeckt, was hier allerdings schwierig ist, denn es sieht alles lecker aus und schmeckt leider auch so. Man kann sich ein Entenleberparfait auf Salaten der Saison schlechtreden, wie man will, aber seine Geschmacksnerven kann man nicht überlisten. Ich überlege, wie ich Isolde dazu bringen kann, Parfait oder Ragout fin auszusprechen, aber mir fällt nichts ein.
    »Wann kommen denn die restlichen Gäste?«, frage ich Annkathrin, weil ich keine Lust habe, mir dauernd Isoldes Geschmatze anzuhören. »Sagtest du nicht was von zweihundert Leuten?«
    »Die kommen morgen irgendwann«, sagt Annkathrin und kichert blöd.
    »Wo sollen die denn alle schlafen?« Diese Frage halte ich für berechtigt, so viele Zimmer hat dieses Hotel schließlich nicht.
    »Das sehen wir dann«, kichert Annkathrin weiter.
    »Hättest du das vorher nicht vielleicht buchen sollen?« Warum frage ich das eigentlich? Es kann mir doch egal sein. Aber Annkathrin hat diese verflixte Hochzeit so lange geplant, da kann man doch nicht dieses nicht gerade unwichtige Detail der Unterbringung vergessen oder lapidar mit »sehen wir dann« abtun.
    Aber Annkathrin kichert nur dämlich weiter vor sich hin. Von mir aus. Sollen die doch auf Hängematten pennen oder im Weinkeller. Oder gar nicht.
    Bernie trinkt mehr, als ihm guttut, und so kommt es, wie es kommen muss: Er wird mal wieder laut. Das wird Bernie gern. Er ist nun mal ein ungehobelter Klotz. Aber heute übertreibt er es meiner Meinung nach sehr. Bernies Freunde schreien die ganze Zeit: »Zum Wohl!«, während sie ihre Biergläser heben. Gegen einundzwanzig Uhr sind alle hickehackevoll und so laut, dass die Bedienung kommt und sie bittet, leiser zu sein. Aber da haben sie nicht mit Bernie gerechnet. Er johlt weiter mit seinen Kumpanen herum und zwar in einer Art und Weise, dass es wirklich schon unangenehm wird. Und keiner der anderen Männer geht mal dazwischen. Hansemann sagt auch nichts, sondern starrt nur dumm auf sein Weinglas. Solch einen Onkel lobe ich mir. Noch lustiger fände ich es, wenn Annkathrins Vater auch hier teilnähme, weil das Isolde bestimmt unangenehm wäre. Sie spricht nicht gern davon, weil sie sich so gedemütigt fühlt. Hätte er sie wenigstens wegen einer anderen Frau verlassen, wäre alles nicht so schlimm. Aber dass er gegangen ist, weil er die Nase voll hatte von Frauen an sich, das trifft Isolde doch sehr hart. Mein eigener Vater ist allerdings auch nicht besser, der ist in zweiter Ehe mit einer Butterprüferin aus Mecklenburg-Vorpommern verheiratet, die beiden haben zwei Kinder aus Butjadingen adoptiert, die sich im Watt
verlaufen hatten oder möglicherweise von ihren leiblichen Eltern dort ausgesetzt worden waren. Gefragt nach diesen Kindern hat jedenfalls nie irgendjemand, was ich gut verstehen kann, es sind nämlich keine Kinder, sondern Gestalten, für die es im Deutschen keinen Namen gibt. Ich habe, um ehrlich zu sein, nie verstanden, warum mein Vater diese fremden Kinder mir, seiner eigenen Tochter, vorgezogen hat. War ich ihm zu hässlich, zu blöde, zu unbequem? Ich war bestimmt kein einfaches Kind, das will ich damit nicht sagen, aber Kind ist doch nun mal Kind.
    Ich glaube, damals, als er uns verlassen hat, um fortan mit der Butterprüferin sein Glück zu finden, hat mich das sehr belastet. Meine Laune wurde immer schlimmer. Ich fand Männer doof und Väter auch und irgendwann überhaupt alles.
    Jedenfalls sagt Annkathrin irgendwann leise: »Aber Bernie«, wofür ich sie schlagen
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