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Satt Sauber Sicher

Titel: Satt Sauber Sicher
Autoren: Dirk Bernemann
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alles an allem ist und wohnt.
    Er kommt zu Hause rein und fühlt sich aufgrund seines Halbwissens wieder ein wenig auf der Flucht. Wohin mit dem Denken, wenn es keine Richtung hat? Woher eine Richtung, wenn das Denken kollabiert? Kurzdenken und da ist eine Grundmüdigkeit in Peter, die ihn ins Schlafzimmer begleitet. Ohne Zähneputzen. Schlaf.
    Peter schläft trotz Gedankenwüsten in seinem Kopf sehr gut, schnell getrunkene Biere lassen einen gesunden Schlaf aufblitzen und erhalten diesen stabil. Es ist diese Kategorie traumloser Tiefschlaf, von dem mensch am Ende einer Nacht nur noch weiß, dass er stattgefunden hat.
    Anderntags hat Peter Spätdienst. Die Masse behinderter Mensch ist wie immer in Bestform. Peter reguliert prima den Alltag, nur die Praktikantin ist irgendwie komisch heute. Silvia ist grad 21, ein Hippiemädchen mit lustigen Augen, die aber heute nicht glänzen wollen. Peter spekuliert auf Liebeskummer und will aufgrund seiner sozialen Kompetenzüberschätzung auch das noch regulieren. Er bietet Silvia eine Zigarettenpause an und die beiden sitzen irgendwann auf der kalten Terrasse des Wohnbungalows und zünden sich gegenseitig Filterzigaretten an. Peter bemerkt Silvias aufrechte und echte Schönheit. Sie scheint keine von diesen zu sein, die nur doof sind. Nein, Silvia ist eine andere und heute ausnahmsweise tieftraurig. "Erzähl, was los ist", bietet Peter Qualm einsaugend an. Silvia beginnt ein Schluchzen und die Liebeskummertheorie festigt sich in Peter, bestätigt sich aber dann doch nicht. "Meine Katze ist tot. Mein Scheißnachbar. Der hat sie umgelegt. Lava war immer wild und hat immer Nachbars Garten vollgeschissen und umgegraben. Junges Tier eben auf der Suche nach Erfahrung oder Nahrung oder Spielmöglichkeiten. Der Nachbar hat mir öfter mal gesagt, ich solle Lava einsperren, weil er sich was auf seinen Kackgarten einbildet. Der Typ meinte immer, er hätte so tolle und einzigartige Pflanzen und alte Gemüsesorten in seinem unaufgeräumten Garten. Aber Lava konnte ich nicht einsperren. Sie ist immer wieder durch Fenster- schlitze oder Briefkästen entkommen und hat dann täglich diesen tollen Nachbargarten heimgesucht." Silvia lächelt und gleichzeitig schieben sich kleine Silbertränen durch ihre Augäpfel, die jetzt unbedingt geweint gehören.
    Ihre Schönheit ist mit nichts zu vergleichen, was Peter kennt. Silvia leuchtet. Die Natürlichkeit der Praktikantin macht in ihm ein emotionales Fass auf. Silvia erzählt weiter, raucht noch eine und die Tränenflut kommt durch einen Kanal in die Wirklichkeit geflossen. Ein kleiner, nassklarer Salzbach fließt da ein rundes Mädchengesicht hinab. "Dann bin ich gestern raus in den Garten und Lava trieb tot in unserem Gartenteich rum. Blutend. An einen Baum war sein Fell drangenagelt, daneben ein Schild mit der Aufschrift: Bin kurz schwimmen, gleich zurück. Ist doch klar, wer das getan hat. Der Scheißnachbar hat meine Katze geschält und sich noch einen Witz erlaubt, der ja gar nicht mehr geht." Silvias Tränenfluss steigert sich. Schluchzt, heult, ihr Oberkörper sucht einen Halt, den Silvia in sich selbst nicht findet. Die letzten Worte nur noch gesprochen unter einem unterdrückten Trauerwutausbruch. Silvia kriecht in Peters Arme. Peter streicht ihr über die ungekämmte Frisur. Wie gesagt ein Hippiemädchen heult sich in seiner Gegenwart die Augen nass. Peter sagt nichts und versucht, etwas Ruhe in seine Streichelbewegungen einzubauen. Silvia verliert ihre Leuchtkraft nicht, auch nicht durch ihre massive Trauer, die sie zu einer gebückten, tragischen Figur werden ließ. Silvia umklammert Peters Oberarme, dann schluchzt sie noch einmal tief und distanziert sich wieder von ihm. "Danke fürs Zuhören", lächelt Silvia. "Kein Ding", Peter lächelt bewusst gönnerhaft, "jederzeit gern, Zuhören kann ich echt gut." Peter versucht, damit seine Einsamkeit zu beschreiben. Außerdem, und das macht ihm ein wenig Sorgen, findet er die Katzengeschichte zum Schreien komisch. Er stellt sich dieses angenagelte Katzenfell vor und in ihm grinst so einiges. "Komm, lass uns reingehen", rettet Silvia für sich die nunmehr peinliche Situation des Vollschweigens, "ich glaub, der Kevin hat sich vollgemacht." "Eingekotet", sagt Peter, um bei Silvia einen Fachwortschatz zu etablieren. Die verdreht aber nur die Augen. Die schönen Augen drehen sich im Kopf. Und Peter fragt sich, ob sein Trost unvollständig war. Die beiden gehen rein und es weht der Duft von frischen
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