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Satt Sauber Sicher

Titel: Satt Sauber Sicher
Autoren: Dirk Bernemann
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Seife, Gefriergemüse, zwei Handgranaten (es sind zwei, um ganz sicherzugehen), großer Spaten, Holzkiste. Die letzten drei Punkte erscheinen nur vor Huberts geistigem Auge, der Supermarkt bietet so tolle Sachen ja auch gar nicht an. Hubert kauft, wie es ihm aufgetragen wurde. Er schaut sich die Regale an, die Menschen, die mit ihren gewaschenen Händen Dinge da rausnehmen. Sich in die Schlange vor der Kasse einreihen mit anderen Samstagvormittagskäufern. Hubert hasst diese Supermarktatmosphäre, ist aber trotzdem gern hier, denn seine Frau ist woanders. Hubert schiebt seinen Wagen vor sich her, genießt das hysterische Geschrei von Kindern, die beim Schokoladenriegelüberangebot vollkommen ausflippen und von überforderten Eltern erniedrigt werden. Er erinnert sich an seine eigene Kindheit, in der es vielleicht vier Sorten Schokolade gab. Schreiende Kinder vor ihm und Mütter, denen der adäquate Umgang damit fehlt. Diesen Stress zu beobachten, entspannt Hubert, es ist ja nicht sein Stress. Dann steht Hubert an der Kasse und ein langfingriges Kassenmädchen scannt Huberts Einkäufe. Hochtoniges Piepen intensiviert das Entspannungsgefühl. Dann sagt sie "45 Euro" und dann noch "79 Cent" und Hubert bezahlt das und bewundert ihre geschickten Hände, wie sie Wechselgeld aus verschiedenen Fächern der Kleingeldlade der Registrierkasse fummeln. Diese Hände, genau diese Hände bitte, bitte um seinen Schwanz. Er lächelt das Mädchen an, die schaut neutral und scannt schon des nächsten Einkäufers Warenkollaps. Hubert trägt den ganzen Scheiß zum Auto und packt da alles rein.
    "Guten Tag, bitte geben Sie Ihr Fahrziel ein." Ganz fieser Terror in Huberts Gehirn. Vielleicht sollte er doch nochmal die Bedienungsanleitung von dem Navigationssystem lesen. Vielleicht würde er dann verstehen, wie man sich die sexy Stimme gefügig macht. Vielleicht sollte er einfach mit hoher Geschwindigkeit vor eine Betonmauer fahren. Zu viele extreme Eventualitäten.
    Karla putzt das Klo. Sie lächelt, sie lacht fast. Putzen macht sie glücklich. Da erblüht sie, denn alles schön sauber machen mit der Kraft ihres Körpers und ihrer Reinigungsmittel, das macht ein Gefühl von Überlegenheit. Einer muss es ja tun, Karla tut es, es ist wie eine Aufgabe von einer höheren Macht gestellt. Haushaltshandschuhe bis zu den Ellenbogen hochgezogen und bewaffnet mit Reinigungsmittelflaschen. Alles ganz chemisch. Alles blockiert die Atmung. Karlas Kick an Samstagen. Eine Nase Scheuermilch und die Bescheuertheit geht einen Moment weg. Die Toilette, der ganze Raum, die ganze Wohnung, das ganze falsche Leben beginnt, nach Essig und Zitrone zu stinken. Der typische Samstagsduft und Karla wird ganz weich davon im Schädel und ein kleiner Stechschmerz klopft von innen an die Schläfen. Ihr Kopf im Klo. Ihre Haushaltsfinger entfernen dort Kackreste. Huberts Kackreste, ganz klar. So scheißt nur ein Mann. So Rückstände hinterlassend. So Spurenelemente verweigernd. So anders, so krumm, so hinterhältig miefig. Karla würgt, nimmt noch schnell eine Extranase Scheuermilch. Wie gut. Wie richtig. Glückliche Menschen können solche Geschichten nicht erzählen und auch Karla schweigt darüber, denn wem sollte sie so was erzählen? Ihren Söhnen? Würden die das nach all den Jahren verstehen? Dass sie weggezogen sind, versteht Karla. Ein wenig gekränkte Mutterliebe gesellt sich zur Gesamtdepression. Essig und Zitrone.
    Hubert fährt zurück und macht Umwege. Jede kleine Zeiteinheit ohne Nervfaktor Karla verschönert sein Leben. Jeder Moment ohne die Alte hat Qualität. So rechnet Hubert. So kalkuliert er sein Leben. Da gibt es wertvolle Sekunden und Karlasekunden, die so müde machen. Die Kapazität seiner Adern wird immer sehr strapaziert, wenn die Frau zugegen ist. Der Blutdruck steigt. Die Blutflussgeschwindigkeit auch. So schnell. Huberts Kopf kocht, seine Füße frieren beim Gedanken an die nahende Heimkehr. Die ist aber unvermeidlich. Da ist eine Angst. Die Angst, im Angesicht des Todes allein zu sein. Auch ist da die unbestimmte und dringliche Angst, mit Karla allein zu sein. Die Angst aber auch, dass das Leben einfach so vergeht. Hubert biegt im Schritttempo in die Wohnsiedlung ein. Dem Zittern seiner Hände folgt das Tränen seiner Augen. Er hat schon Essig und Zitrone in der Nase.
    Unterdessen Karla. Sitzt auf dem Sessel und betrachtet die desinfizierte Wohnung. Das geht aber vorbei, weiß sie, das mit der Desinfiziertheit, und zwar sobald der Mann zur
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