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Satt Sauber Sicher

Titel: Satt Sauber Sicher
Autoren: Dirk Bernemann
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seit drei Wochen und da ist was zwischen ihnen. Ein Gemisch aus Interesse, internationalem Flair, omnipotenter Geilheit, Blockade und der vollständigenAuflösung des Lebens. Randor lädt sich bei Vera zum Tee ein. Vera sagt "Gute Nacht" und "Küsschen" und ist genervt, weil morgen im Krankenhaus Frühdienst ist und sie eine der wenigen Schwestern auf der Intensivstation ist, die von dem Job so was wie einen Plan hat. Randor merkt an ihrer Stimme ihr Genervtsein und will alles gutmachen. Sein Plan sind Rosen, lecker Abendessen, ein duftender Badewannengang und danach süchtig machender Sex. Dann einschlafen und dann noch Frühstück machen, dann hat er wohl Veras Herz in der Tasche. Diese Gedanken behält er aber noch für sich und macht ein cooles "Bisch morgän, Schatzi, un' schlaff gutt" ins Telefon rein. Ist fast zufrieden mit sich und seinem Nachtdasein. Warum auch nicht? Er ist in Deutschland, halb verliebt in eine blonde Frau, die ihm "Küsschen" an den Hals wünscht. Na, da hat sich der Asylantrag ja gleich mehrfach gelohnt. Er vermisst seine Mutter, seinen Vater, seine Geschwister, die Berge, darin das Haus, in dem alle lebten, die Schafe, die sie hatten. Sogar die Foltererinnerungen seiner Freunde vermisst er. Dürre, Wüste, Wassermangel, Vergiftungserschei nungen. Warum ist er hier und nicht einer seiner Landsleute? Da hat aber einer Glück gehabt ...
    Randor wünscht sich kurz und weit südöstlich. Da steht die fette Großmutter und kocht einen riesigen Pott Eintopf. Sie rührt, jemand schießt. Eine laute Explosion. Einem Kind wird der Arm abgerissen. Blut, Tränen, Kotze. Die fette Großmutter rührt weiter und singt ein Friedenslied. Väter begraben Kinder und umgekehrt. Irgendwo erschossen. Verbuddelt unter Heimaterde. Die Großmutter rührt im Topf und der Tod kriecht ins Land und der Eintopf riecht wie immer. Kinder tanzen, Krieger trommeln, Politiker reden und immer dieser Hunger. Und die Großmutter rührt im Topf. Man weiß erst, was Hunger ist, wenn man in ein frisch erlegtes Gnu seine wegen Vitaminmangels brüchigen Zähne versenkt hat. Nur einfach so, weil sonst alle Lichter ausgehen, und das Gnu zuckt noch im Todeskampf und ist schon Lebewesen und Mahlzeit in Personalunion. Randor kennt diesen Hunger, er kennt die Beweggründe, ein zappelndes Gnu zu fressen oder dem Nachbarn den Kopf einzuschlagen, da dieser ein zappelndes Gnu in seinen armen Armen hält. Er kennt die Amputierten, die in den Straßen betteln und doch nur Tritte in den zerfetzten Leib kriegen. Er kennt die kleinen aidsverseuchten Schwestern, die sich für ein Stück Fleisch oder ein paar Münzen den Körper zerficken lassen. All das kennt Randor Namobi und am Ende ist das Ende und Afrikaabschluss und Europaeinkehr und einfach nur Glück, dass er hier ist und noch ein wenig Verstand hat und seinen ganzen Körper. Arme, Beine, alles da, alles gut, alles Deutschland. In seiner Heimat hat kaum jemand was zu verlieren außer Gliedmaßen, Hoffnung und manchmal das Leben.
    Er kommt aus einem Land, das vom Bürgerkrieg gezeichnet ist. Der Bürgerkrieg ist aber ein schlechter Zeichner. Er kann nur kaputte und halbe Menschen malen. Alles nicht so schön. Militärs radieren am Volk rum. Gerade Linien kommen nur aus Maschinengewehren. Ein roter Blutschwall aus dem amputierten Bein, das die Landmine seiner Schwester nahm. Was blieb, war ein stumpfer Knochen, der aus dem Oberschenkel ragte. Böse Mine zum bösen Spiel. Kein Spiel - Realismus. Kaputtradiert. Schattiert. Der Bürgerkrieg ist wie ein abstrakter Künstler, er malt die Menschen ganz anders, als sie eigentlich gemeint sind.
    Randor kommt zurück aus der Vergangenheit. Ist wieder Reisender in der Gegenwart. Wartet auf den letzten Zug der Nacht mit Zügen von der Zigarette. Der Tabak verbrennt und er saugt den Rauch in sich rein. Vera. Ja, Vera. Aufenthaltsgenehmigungsvera. Aber ein bisschen verliebt ist er auch. Nicht so wirklich und nicht so richtig. Aber Vera geht schon ganz gut. Ihre Haut würde in seiner Heimat verbrennen. Einfach so runterschmoren die deutsche, weiße Haut. Krebs kriegen. Egal. Die deutscheFrau ist eine schöne Frau. Sie hat einen Blick, der nach Vanille riecht. Sie hat ein Badezimmer, das nach Äpfeln riecht, sie hat einen Körper, der nicht nach Mensch, sondern nach Kunst riecht. Sie nennt das Parfüm und eigentlich stinkt es. Das ist nicht schlimm, sie ist eine Deutsche. Die dürfen das, die Deutschen.
    Da kommen Stimmen und Schritte heran. Durch die
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