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Satt Sauber Sicher

Titel: Satt Sauber Sicher
Autoren: Dirk Bernemann
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springen, hat so viele Pickel von der Menschheit, so vielehochdefinierte Krankheiten, Maschinen, die hochdefinierten Lärm machen und ansonsten die Straße kaputt. Und den Menschen.
    Dann ist er im Nest der Kapitalgesellschaft. Böse Börse Frankfurt am Main. Hohe Häuser stehen rum und wollen vorbeifliegende Flugzeuge küssen. Silbrig poliert strahlt die Eingangspforte, aber Silber ist auch nur glänzendes Grau. Roland geht da durch. Begrüßt einige Leute. Die Tabletten vom Frühstück verlieren ganz langsam ihre Wirksamkeit und mit jedem geheuchelten Freundlichkeitswort, das Roland so sagt, spürt er in sich wellenförmige Antigesundheit toben. Die schlägt gegen den Magen und dann sofort gegen die Innenseite seines Geschlechtsteils und von dort dann rasant in alle vorhandenen Gehirnteile. Da denkt dann irgendwas: Nicht schreien, nicht weinen. Fassung bewahren und weiterlabern. Roland macht den Mund auf und zu und da kommen Geräusche raus. Das sind dann wohl sinnvolle Worte zum Begrüßen der Arschfickerkollegen, denkt sein Gehirn. Die Worte, das Gehirn. Alles sinnlos aneinandergereiht. Dann ist irgendwann keiner mehr da, mit dem sein Gehirn kommunizieren kann. Alle gehen in ihre dummen Ecken und Büros, bevölkern Kaffeeautomaten, labern ihre Minitelefone voll und dünne, fragile Finger sausen auf Laptoptastaturen hin und her.
    In der Börse kaspert das Böse in Form von schlechtem Kaffee und Kapitalismus. Man kommt sich ständig in die Nähe der Quere und belästigt einander mit Statistiken, Notierungen und Arschfickgesprächen. Nadelgestreifte Wichtigtelefonierer spendieren sich gegenseitig mit VWL- und BWL-Eifer (und dementsprechend vereiterten Krustengehirnen) wenige Worte. Das Gefüge der asozialen Kompetenz entgleitet dem eigentlichen Leben. Draußen ist feindlich, drinnen ist Geld, Gewinn, Rendite und die Möglichkeit, ziemlich günstig an billige, minderjährige Polinnen und günstiges und trotzdem astreines Kokain zu kommen. Investoren haben zu investieren, wenn die Stimmen an ihren Telefonen lauter und geringschätziger werden.
    Es geht ab und Roland hat Bauchschmerzen vom schlechten Kaffee und vom Kapitalmarkt. Saumäßige Übelkeit in der Nähe von gelboranger Blutkotze würgt sich aus der Tiefe seinen Hals hoch und er schafft es gerade noch, den ganzen Körpermatsch runterzuschlucken, bevor das aufs feine Nobelbörsenparkett plätschert. Roland will Ohnmacht. Er spürt eine definitive Nichtdazugehörigkeit. Die Lautstärke, die Zahlen, diese Schmerzen im Herz und dieser Druck im Bauch, der ihn seit mindestens sechzehn Tagen nicht hat richtig kacken lassen, das alles macht ihm so was von brutal Angst. Die geht dann überall hin in seinem Körper, die Angst, und macht Roland stumm und fast tot.
    Dies klingt alles so, als sei der Roland so maximal unzufrieden, dass nur noch ein anderer Job ihm helfen würde oder allein eine ganz andere Art zu denken. Das wünscht sich der Roland auch, so zu denken wie im Traum der letzten Nacht, nicht zu ruhen, bis auch der letzte Kapitalist an den Geldern seiner Verbrechen erstickt ist. Aber der Roland, und das benutzt er auch stets als Entschuldigung für sich selbst, ist halt auch schon so lange im Job. Er kann nichts anderes außer das hier. Rennen, schreien, Schmerzen erleiden und das alles für die Aufrechterhaltung eines Marktes, an dem nur die Reichen verdienen. Moralisch kann man hier nicht werden, sondern nur demoralisiert.
    Ein Wahnsinn bricht los, als irgendwelche Zahlen veröffentlicht werden. Alles brüllt durcheinander. Keiner weiß, was er tut, und alle finden sich und ihr Tun gut. Gehandelt wird mit der Nichtigkeit von Leben beziehungsweise mit Werten, die einige Menschen hier für Leben halten. Rolands Frust auf all das wächst und seine Angst ist der Dünger der Frustpflanze. Steigert sich langsam zu Zweifel, Zweifel an dem, was mit ihm und um ihnherum geschieht. Plötzlich sieht er sich mehr denn je als Instrument. Seine menschlichen Züge fallen auf den Boden und zerbrechen dort in Gleichgültigkeit. Menschliche Züge entgleisen.
    Roland hat Durst. Da hat einer Wasser in einer 0,5-l-Mehrwegflasche. Roland steht neben ihm, aber man kann ja keinen hier mit einer Pulle Wasser um einen Schluck bitten. Da könnte man gleich nackt auf dem Tisch tanzen und "Kommunismus!" oder "Geld ist ein Arschloch!" oder "Aktien sind Lüge!" brüllen. Käme aufs Gleiche raus, wie einen mit 'ner Flasche um einen Schluck zu bitten. Roland hat Durst. Sein Geist zittert.
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