Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sarum

Sarum

Titel: Sarum
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
kam seine Zusage. »Hör mal, bei mir klappt es, aber bekommst du denn frei?« In Wirklichkeit hatte sie Dienst. »Ja«, schwindelte sie. »Ich werde dasein. Versprochen. Um vier.«
    Sie hatte alles sorgfältig vorbereitet. Ihre letzte Fahrt in einem Stabswagen ging um drei Uhr nach Wilton. Dann sollte ein anderes Mädchen übernehmen. Patricia hatte vierundzwanzig Stunden frei. Frühmorgens hatte sie ihren kleinen Morris in Wilton geparkt. Von hier brauchte sie ungefähr vierzig Minuten, um nach Downton zu gelangen. Benzin hatte sie genügend. Sie wachte eifersüchtig über ihre Benzingutscheine. Nun konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen.
    Um halb fünf kam sie nach Wilton. Die Besprechung in Larkhill hatte lange gedauert. Sie eilte zu ihrem Morris auf dem Kingsbury Square und ließ den Motor an. Er stotterte ein wenig, aber sie beachtete es nicht. Und schon war sie unterwegs.
    Sie umfuhr Salisbury und nahm die Straße am Avon entlang, kam an Britford vorbei; Lord Radnors Besitz am Wald von Clarendon lag zu ihrer Linken. Als sie eine kleine Steigung hinauffuhr, setzte der Motor aus.
    Sie fuhr den Wagen an die Straßenseite. Es war Viertel vor fünf. Sie versuchte einen neuen Start – vergeblich.
    Verzweifelt hielt sie Ausschau nach einem Auto oder einem Bus, aber die Straße war leer. Die Zeit verstrich.
    Endlich tauchte ein Auto auf, das langsam die entgegengesetzte Richtung fuhr. Am Steuer saß John Mason. Sie winkte wie wild. »Du mußt mich nach Downton bringen.«
    »Von dort komme ich gerade.«
    »Ich weiß. Bitte, John! Kannst du schnell machen?« Er sah sie sehr ernst an. »Ist es so dringend?« Sie stieg einfach ein.
    Er seufzte. »Ich kann mir schon denken, worum es sich handelt. Aber ich habe nicht gedacht, daß es so wichtig ist.«
    »Du hast keine Ahnung. Wirklich nicht. Bitte, mach schnell!« Nach fünf Minuten hatten sie Downton erreicht, und nach einem raschen Kuß lief sie in das strohgedeckte Gasthaus. Noch nach Jahren war sie froh darüber, daß sie es rechtzeitig geschafft hatte. In dieser Nacht liebten sie sich mit aller Leidenschaft, und hinterher weinte sie.
    Er wußte nicht, warum, aber sie wußte, daß es aus Erleichterung war. In den frühen Morgenstunden des 6. Juni 1944 wurden die Einwohner Sarums aus dem Schlaf gerissen.
    Über ihnen dröhnte stundenlang eine der größten Luftbrücken, die es bis dahin gegeben hatte. Die Flugzeuge waren beleuchtet; die donnernden Maschinen ließen die Stadt erzittern. Es war wie eine schwarze endlose Wolke über dem Avon-Tal und dem Turm der Kathedrale. Adam Shockley und die Verbände aus Ibsley gaben Geleit und Küstendeckung.
    Adam war in gehobener Stimmung, als er zu dem übrigen Haufen stieß. Er dachte an Patricia und auch an ihre Gespräche, ihre hitzige Absage an die Ungerechtigkeit dieser Welt. Er lächelte vor sich hin. Das war ihr Problem, vielleicht das Problem der Engländer ganz allgemein. Sie alle wollten einfach nette Menschen sein. Vielleicht konnte er sie nach diesem Krieg von dieser Vorstellung heilen.
    Während sie den stillen Hafen von Christchurch mit der schmalen Landzunge und dann den Ärmelkanal überflogen, bildete Adam Shockley sich seine endgültige Meinung über Patricia und Sarum – eingebettet in die Vergangenheit, aber eine Verteidigung wert. Als sie Frankreich anflogen, verbannte er beide aus seinen Gedanken. Am späten Vormittag holte Patricia den Stabsoffizier Forest-Wilson vor dem Wilton House ab. »Bitte zum Bulford-Lager.«
    Immer noch zogen Flugzeuge über sie hin, und Patricia mußte unentwegt denken: Wo mag er jetzt sein? Noch über dem Kanal, schon über Frankreich? Wie betäubt fuhr sie dahin.
    In Bulford bekam sie telefonische Verbindung mit Ibsley. Adam war schon zurück. In ein bis zwei Tagen wollten sie sich treffen. Als sie zum Wagen ging, versuchte sie einen möglichst gelassenen Eindruck zu machen, und sie hoffte, daß es ihr gelungen wäre. Ein paar Minuten später kam der Stabsoffizier und bat sie, ihn nach Wilton zurückzubringen. Vom Rücksitz aus betrachtete Forest-Wilson gedankenvoll Patricias Nacken. Ein rascher Blick vorher hatte ihm genügt. Die Offensive hatte erst ein paar Stunden zuvor stattgefunden, und schon strahlte sie. Er muß also Flieger sein, schloß er daraus, und er ist schon wieder hier. Dann lächelte er vor sich hin. Die amerikanischen Luftstützpunkte sollten bald nach Frankreich verlegt werden. In ein paar Wochen würde er sie zum Abendessen einladen.
D ER T
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher