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Sarum

Sarum

Titel: Sarum
Autoren: Edward Rutherfurd
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abfangen sollte, während das Mauerwerk außen herum erneuert werden mußte. Nach dieser schwierigen Aufgabe mußte die verwitterte Westfassade in Angriff genommen werden. Die Steinmetzen würden wieder den alten Chilmark-Stein verwenden, genau wie sieben Jahrhunderte früher.
    Die Werkstätten befanden sich an nahezu den gleichen Stellen wie damals; das Büro des Bauleiters dort, wo die Unterkunft der Steinmetzen gestanden hatte; es gab eine Glaserei, eine Klempnerei, eine Schreinerei. Im wesentlichen hatte sich wenig an den Arbeitsmethoden geändert, nur daß Säge, Drehbank und Zementofen nun mit maschineller Kraft betrieben und beheizt wurden.
    Patricia Forest-Wilson freute sich an dieser Kontinuität, während sie den Orgelklängen lauschte.
    Ein Museum, hatte Adam gesagt. Wenn das so ist, dachte sie leicht gereizt, bin ich vielleicht auch ein Museumsstück. Sie blickte zu den beiden Männern neben sich. Zwei attraktive Männer, dachte sie und fühlte sich dabei recht wohl. Archibald war auch ein gutaussehender Mann gewesen. Der Gedanke, daß sie immer nur das Beste hatte, schmeichelte ihr. Was das Museumsstück betraf – nein, das war sie keinesfalls. Adam beugte sich zu ihr herüber, und sie sah, daß Kersey ihn dabei beobachtete. »Die Kirche wirkt viel heller, als ich sie in Erinnerung habe«, flüsterte er.
    Sie nickte zustimmend.
    In den vergangenen Jahren war intensiv an der Kathedrale gearbeitet worden. Überall war das Ergebnis zu sehen. An den Wänden und den alten Grabmälern waren Teile der mittelalterlichen Malereien sorgfältig freigelegt worden, die diesem Raum einst Leuchtkraft verliehen hatten. In jeder Kapelle sah man nun wunderschön gestickte Kissen und Kniepolster, liebevoll von einheimischen Frauen gefertigt. Heute war auch der Blumenschmuck von kundiger Hand arrangiert worden. Noch beeindruckender war das große farbige Glasfenster an der Ostwand, das erst fünf Jahre zuvor eingesetzt worden war. Es ist schön, daß auch die Fenster wieder in den früheren Farben leuchten, dachte Patricia.
    Und nun wußte sie auch genau, daß Adam Shockley unrecht hatte. Das war wirklich kein Museum – weder das stille Areal um die Kathedrale noch die geschäftige Stadt, weder das große Haus in Wilton noch die mittelalterliche Kathedrale mit ihrem Turmhelm. Alles lebte – genau wie am ersten Tag. Jede alte Form konnte wiederverwendet, mittelalterliche Formen und Farben konnten neu geschaffen und neue Gestaltungsmöglichkeiten in Sarum gefunden werden. England war von zwei verheerenden Kriegen zerstört worden, doch hier wie andernorts würde die alte europäische Kultur neue Blüten treiben.
    Nach der Messe nahm der Prinz seinen Tee im alten Bischofspalast, der heutigen Kathedralschule, und Patricia brachte ihre Gäste zum Auto zurück. Shockley und seine Tochter mußten am Abend nach London zurückfahren, und Patricia versprach, ihnen Stonehenge zu zeigen. Unterwegs ging sie neben Kersey Godfrey, hängte sich bei ihm ein und lächelte ihn glücklich an. Sie berührte seine Hand. »Du kommst doch auch mit nach Stonehenge, nicht wahr?« fragte sie leise.
    »Wenn ich nicht störe.« Sie drückte seinen Arm. »Natürlich nicht.«
    Sie gingen über die Brücke zum Parkplatz. Patricia starrte in ihr Auto. »Das ist doch nicht zu glauben!«
    Der junge John Wilson hatte Glück gehabt an diesem Tag. Es war sein dreizehnter Geburtstag. Auf dem Gelände beobachtete er die Ankunft des Hubschraubers. Nach dem Begrüßungszeremoniell für den Prinzen und nach seinem Einzug in die Kathedrale hatte John das Kathedralgelände verlassen. Zwanzig Minuten später kam er am Parkplatz vorbei. Niemand war dort zu sehen. John schlenderte zwischen den Autos umher. In einer Ecke stand der dunkelbraune Volvo. Auf dem Fahrersitz lag eine teure Damenhandtasche. Die Tür war verschlossen, aber da lagen ein paar Ziegelsteine in Reichweite.
    Alle Menschen hielten sich auf dem Kathedralgelände auf, und auf dem Parkplatz war niemand. John faßte rasch zu.
    Es gibt eine besonders hübsche Stelle in Sarum – eine kleine Insel unterhalb der Crane Street Bridge, einen Grasstreifen zwischen zwei Wasserläufen, wo der Avon eine sanfte Krümmung um das westliche Kathedralgelände macht.
    Im Avon treiben lange grüne Flußtangbänke, in denen Teichhühner, Enten und Schwäne hausen. Das Inselufer ist von Bäumen gesäumt. Es ist ein ruhiger, zeitloser Ort; man hört das gedämpfte Murmeln der Wellen und wird sich um so deutlicher der
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