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Sara

Sara

Titel: Sara
Autoren: Stephen King
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elementar, mein guter Watson. Meine Frau starb mit einem Sonnenbrand.
    Wyzer richtete sich auf, sah den Krankenwagen, der eingetroffen war, und rannte hin. Er drängte sich durch die Menge und schnappte sich einen der Sanitäter, als er aus dem Wagen ausstieg. »Da drüben ist eine Frau«, sagte Wyzer und zeigte auf den Parkplatz.
    »Mann, wir haben hier zwei Frauen und außerdem noch einen Mann«, sagte der Sanitäter. Er versuchte, sich loszureißen, aber Wyzer hielt ihn fest.
    »Vergessen Sie die vorerst«, sagte er. »Die sind im Grunde genommen okay. Die Frau da drüben nicht.«
    Die Frau da drüben war tot, und ich bin ziemlich sicher, daß Joe Wyzer es wußte … aber er kannte seine Prioritäten. Das muß man ihm lassen. Und er war überzeugend genug, daß die beiden Sanitäter trotz Esther Easterlings Schmerzensschreien und dem empörten Murmeln des griechischen Chors sich von dem aus Lastwagen und Toyota gebildeten Blechhaufen entfernten.
    Als sie bei meiner Frau angekommen waren, bestätigte einer der Sanitäter rasch, was Joe Wyzer schon vermutet hatte. »Ach du Scheiße«, sagte der andere. »Was ist mit ihr passiert?«
    »Wahrscheinlich das Herz«, sagte der erste. »Sie hat sich aufgeregt, und es ist ihr einfach explodiert.«
    Aber es war nicht das Herz. Die Autopsie ergab ein Aneurysma im Gehirn, mit dem sie, ohne es zu wissen, vielleicht schon fünf Jahre gelebt hatte. Als sie über den Parkplatz zu der Unfallstelle sprintete, war das schwache Gefäß in ihrer Gehirnrinde geplatzt wie ein defekter Reifen, hatte ihr Kontrollzentrum
in Blut ertränkt und sie getötet. Sie war wahrscheinlich nicht direkt gestorben, sagte mir der Gerichtsmediziner, aber schnell genug … und gelitten hatte sie nicht. Nur eine große schwarze Nova, Empfindungen und Denken dahin, noch ehe sie auf dem Asphalt aufschlug.
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Mr. Noonan?« fragte der Gerichtsmediziner und drehte mich behutsam von dem reglosen Gesicht und den geschlossenen Augen auf dem Videomonitor weg. »Haben Sie Fragen? Ich beantworte sie, wenn ich kann.«
    »Nur eine«, sagte ich. Ich sagte ihm, was sie unmittelbar vor ihrem Tod in der Apotheke gekauft hatte. Dann stellte ich meine Frage.
     
    Die Tage bis zur Beerdigung und die Beerdigung selbst sind in meiner Erinnerung wie ein Traum - am deutlichsten entsinne ich mich, wie ich Jos Schokoladenmaus gegessen und geweint habe … hauptsächlich geweint, glaube ich, weil ich wußte, wie schnell der Geschmack vergangen sein würde. Ein paar Tage nach ihrem Begräbnis hatte ich einen zweiten Weinkrampf, von dem ich Ihnen bald erzählen werde.
    Ich war froh, als Jos Familie eintraf, besonders Jos älterer Bruder Frank. Es war Frank Arlen - fünfzig, rote Wangen, untersetzt und mit einem erstaunlich dichten, fast theatralisch weißen Haarschopf -, der die Trauerfeier organisierte … der zuletzt buchstäblich mit dem Bestattungsunternehmer feilschte .
    »Ich kann nicht glauben, daß du das gemacht hast«, sagte ich später, als wir beide in Jack’s Pub saßen und Bier tranken.
    »Er hat versucht, dich über den Tisch zu ziehen, Mikey«, sagte er. »Ich hasse solche Typen.« Er zog ein Taschentuch aus der Gesäßtasche und wischte sich geistesabwesend die Wangen damit ab. Er war nicht zusammengebrochen - niemand von den Arlens brach zusammen, jedenfalls nicht in meiner Gegenwart -, hatte aber den ganzen Tag mit den Tränen zu kämpfen; er sah aus wie ein Mann, der an einer schlimmen Bindehautentzündung leidet.
    Alles in allem waren die Arlens sechs Geschwister gewesen, Jo die jüngste und das einzige Mädchen. Sie war der absolute
Liebling ihrer älteren Brüder gewesen. Ich habe den Verdacht, wenn ich etwas mit ihrem Tod zu tun gehabt hätte, hätten die fünf mich mit bloßen Händen in Stücke gerissen. So aber bildeten sie statt dessen einen Schutzschirm um mich, und das war gut. Ich nehme an, ich wäre auch ohne sie zurechtgekommen, aber ich weiß nicht, wie. Ich war sechsunddreißig, vergessen Sie das nicht. Man geht nicht davon aus, daß man seine Frau beerdigen muß, wenn man sechsunddreißig ist und sie selbst zwei Jahre jünger. Der Tod war das letzte, woran wir dachten.
    »Wenn ein Kerl dabei erwischt wird, wie er die Stereoanlage aus deinem Auto nimmt, nennen sie es Diebstahl und stecken ihn ins Gefängnis«, sagte Frank. Die Arlens stammten aus Massachusetts, und ich konnte immer noch die gedehnten Vokale in Franks Stimme hören. »Wenn derselbe Kerl versucht, einem
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