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Sara

Sara

Titel: Sara
Autoren: Stephen King
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einer erfrischenden Dusche und einem kalten Bier sehnte, nicht notwendig in dieser Reihenfolge. Er und drei weitere Männer hatten acht Stunden damit verbracht, die Harris Avenue Extension in der Nähe des Flughafens zu asphaltieren, ein heißer Job an einem heißen Tag, und Bill Fraker sagte ja, vielleicht sei er ein wenig zu schnell gefahren - vielleicht vierzig Meilen in einer Tempo-dreißig-Zone. Er hatte es eilig, ins Depot zu kommen, den Lastwagen abzuliefern und sich ans Steuer seines F-150 mit Klimaanlage zu setzen. Und die Bremsen des Lastwagens waren zwar noch gut genug für eine Inspektion, aber längst nicht tipptopp. Fraker trat darauf, sobald er sah, wie der Toyota vor ihm von dem Parkplatz herunterfuhr (er drückte auch auf die Hupe), aber es war zu spät. Er hörte quietschende Reifen - seine eigenen und die von Esther, als sie die Gefahr, zu spät, erkannte - und sah einen Augenblick lang ihr Gesicht.
    »Das war irgendwie das Schlimmste daran«, sagte er zu mir, als wir auf seiner Veranda saßen und Bier tranken - da war es Oktober, und obwohl uns die Sonne warm ins Gesicht schien, trugen wir beide Pullover. »Wissen Sie, wie hoch man in diesen Kippladern sitzt?«
    Ich nickte.
    »Nun, sie schaute hoch, um mich zu sehen - reckte regelrecht den Hals, könnte man sagen -, und die Sonne schien ihr ins Gesicht. Ich konnte sehen, wie alt sie war. Ich entsinne mich, daß ich dachte: ›Heilige Scheiße, sie wird zerbrechen wie Glas, wenn ich nicht anhalten kann.‹ Aber alte Leute sind oft ganz schön zäh. Sie können einen überraschen. Ich meine, sehen Sie, wie es gekommen ist, die beiden alten Tanten leben noch, und Ihre Frau …«
    Da brach er ab, und ein grelles Rot schoß ihm in die Wangen, wodurch er aussah wie ein Junge, der auf dem Schulhof
von Mädchen ausgelacht wird, die festgestellt haben, daß sein Hosenschlitz offensteht. Es war komisch, aber wenn ich gelächelt hätte, hätte ihn das nur verwirrt.
    »Mr. Noonan, es tut mir leid. Mein Mundwerk ist einfach mit mir durchgegangen.«
    »Schon gut«, sagte ich. »Ich habe das Schlimmste sowieso überstanden.« Das war gelogen, brachte uns aber wieder zum Thema.
    »Jedenfalls«, sagte er, »sind wir zusammengestoßen. Es gab einen lauten Knall und ein Knirschen, als die Fahrerseite des Autos eingedrückt wurde. Und das Klirren von Glas. Ich wurde so fest gegen das Lenkrad geschleudert, daß ich noch mindestens eine Woche später Schmerzen beim Einatmen hatte, und ich hatte einen großen Bluterguß genau hier.« Er zeichnete unterhalb der Schlüsselbeine einen Bogen auf seine Brust. »Ich bin mit dem Kopf so hart gegen die Windschutzscheibe geprallt, daß das Glas zersprungen ist, aber ich hatte nur eine winzige purpurne Prellung da oben … kein Blut, nicht mal Kopfschmerzen. Meine Frau sagt, ich habe von Natur aus einen Dickschädel. Ich hab’ gesehen, wie Mrs. Easterling, die Frau, die den Toyota fuhr, über die Konsole zwischen den Vordersitzen geschleudert wurde. Dann kamen wir endlich, ineinander verkeilt, mitten auf der Straße zum Stillstand, und ich stieg aus, um zu sehen, wie schlimm sie dran waren. Ich sage Ihnen, ich habe erwartet, daß sie beide tot sind.«
    Keine von beiden war tot, nicht einmal bewußtlos, obwohl Mrs. Easterling drei gebrochene Rippen und eine ausgerenkte Hüfte hatte. Mrs. Deorsey, die einen Sitz von der Stelle des Aufpralls entfernt gesessen hatte, erlitt eine Gehirnerschütterung, nachdem ihr Kopf gegen das Fenster der Beifahrertür gestoßen war. Das war alles; sie wurde ›im Home Hospital behandelt und entlassen‹, wie es in solchen Fällen in den Derry News immer heißt.
    Meine Frau, die frühere Johanna Arlen aus Malden, stand mit der Tasche über der Schulter und dem Rezept in der anderen Hand vor dem Drugstore und sah alles. Genau wie Bill Fraker muß sie gedacht haben, daß die Insassen des Toyota tot oder schwer verletzt waren. Das Geräusch der Kollision war
ein hohler, machtvoller Knall gewesen, der durch den heißen Nachmittag rollte wie eine Bowlingkugel auf der Bahn. Das Geräusch von berstendem Glas umgab ihn wie zerrissene Spitze. Die beiden Fahrzeuge standen ineinander verkeilt auf der Jackson Street, der schmutzige orangerote Lkw ragte über dem hellblauen Importwagen auf wie ein bedrohlicher Vater über einem kauernden Kind.
    Johanna sprintete über den Parkplatz zur Straße. Um sie herum folgten andere ihrem Beispiel. Eine, Miss Jill Dunbarry, hatte einen Schaufensterbummel bei Radio Shack
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