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Sankya

Sankya

Titel: Sankya
Autoren: Zakhar Prilepin
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selbstbewussten Bellen Kostenkos ganz und gar nicht ähnlich, war zu hören.
    »Man schlug mich mit einem Holzstock ins Gesicht. Sie forderten mich auf, die Partei sofort aufzulösen …«, klang aus dem Off das unter Mühen Ausgesprochene.
    »Was haben Sie ihnen gesagt?«
    »Ich sagte ihnen: Schert euch zum Teufel. Jetzt habe ich kein Gesicht mehr.«
    Das Bild von Kostenko im Käfig verschwand, der Sprecher erschien.
    »Unseren Informationen zufolge halten Vertreter dieser extremistischen Partei derzeit ungefähr dreißig Gebäude von Gebietsadministrationen in verschiedenen Regionen des Landes besetzt. Es gibt Opfer unter den Mitarbeitern der Miliz …«
    »Brüder! Die Hälfte des Landes – gehört uns«, sagte Tischin und schaltete den Fernseher aus. »Das Volk ist für uns. Wir werden unseres Volkes würdig sein. Auf eure Plätze.«
    Sie umarmten sich alle.
    »Wenja, mein Lieber …«
    »Und du, wohin gehst du?«, fragte Wenja. »Es reicht, mich abzuknutschen …«
    »Sascha, es ist alles richtig!«, sagte jemand beim Hinausgehen, »Sascha, wir mussten … Alles war richtig!«
    Eine Stunde später tauchte vor der Administration ein Panzer auf, der den Asphalt aufriss. Hinter ihm vier Radpanzer.
    Die Fahrzeuge umfuhren dröhnend das Gebäude, bis sie auf jeder Seite in regelmäßigen Abständen zum Stehen kamen.
    Durch den das Verwaltungsgebäude umgebenden Park liefen Soldaten.
    Vom Gebäude in Richtung Radpanzer ging, ständig sich umschauend, die Putzfrau; sie trug einen Eimer und zog den Scheuerbesen nach. Der Scheuerbesen hinterließ im Schnee eine Spur.
    »Hör zu, Oleg … ich vergesse es immer …«, setzte Sascha an, der sich am Fenster niedergelassen hatte und die MP fest in den Händen hielt, » … hast du tatsächlich keine Angst, dass mit dieser Waffe deine Regimentskameraden getötet werden?«
    »Hätten wir nicht diese Waffen genommen, würden sie uns – aber unbewaffnet – damit töten. Dabei – wir haben recht. Sie aber nicht. Und sie haben die Wahl, wir haben keine.«
    Sascha nickte. Genau das hatte er auch gedacht.
    »Und überhaupt sitzen meine Regimentskameraden zu Hause«, fletschte Oleg die Zähne, »denn sie haben keine Uniform und keine Waffen. Und versammeln können sie sich auch nirgendwo, alles ist abgebrannt. Und zusammentrommeln kann sie auch niemand. Siehst du, es sind weder Sondereinheitler noch Straßenpatrouillen da. Bloß Soldaten, die Armee …«
    Draußen ertönte ein Megafon, eine heisere Stimme.
    »Achtung! Ich verlange – Aufmerksamkeit! Das Gebäude ist umstellt! Ich biete an, sich unverzüglich zu ergeben!«
    Sascha zündete sich eine Zigarette an. Er setzte sich an die Wand, streckte die Beine aus.
    Am anderen Ende des langgestreckten Zimmers saß Besletow und hielt sich mit der freien Hand das Gesicht. Bisweilen kam es Sascha so vor, als weinte er: Seine Schultern zitterten …
    »Wir wissen, dass sich Aleksandr Tischin im Gebäude befindet«, dröhnte die metallische, leblose Stimme. »Tischin! Beenden Sie unverzüglich den Widerstand! Ich garantiere ihnen allen das Leben!«
    »Sanjok, möchtest du dich nicht mit ihnen unterhalten?«, fragte Oleg. »Ich habe ein Megafon von unserer Basis mitgenommen.«
    Sascha legte die MP weg, nahm das Megafon und stellte sich ans Fenster, in voller Größe.
    »Ich, Sascha Tischin, halte euch für Abschaum und Verräter! Ich halte die Macht, der ihr dient, für widerwärtig und abscheulich! Ich sehe – ihr seid Eiter, und die Würmer kochen in euren Ohren! Das ist alles! Haut ab!« Dann warf er das Megafon durchs Fenster.
    Er zog noch einmal tief an der Zigarette, die er auch die ganze Zeit über, während er gesprochen hatte, in der Hand gehalten hatte … Er schaute die Kippe an, und warf sie dann achtlos durchs Fenster.
    »Sascha«, rief Oleg leise. »Schau!«
    Sascha blickte nochmal raus und sah, wie Posik – als wäre er aufgescheucht worden – aus dem Park heraus Richtung Gebäude lief.
    Sie brüllten ihm wild nach, er blieb allerdings nicht stehen.
    Ein Schuss ertönte, Posik fiel um, heulte schaurig auf.
    Sascha sah, wie er sich schmerzgekrümmt das Bein hielt … das Blut war im Schnee deutlich sichtbar.
    Posik drehte sich in Richtung der Schützen und drohte mit seiner kleinen, zitternden Faust.
    Sascha ging zu Besletow, zog die Pistole aus dem Halfter. Er schoss auf die Kette der Handschellen, die den Ring an der Hand mit jenem am Heizkörperrohr verband. Besletow zuckte zusammen; schon befreit, untersuchte
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