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Sanft wie der Abendwind

Sanft wie der Abendwind

Titel: Sanft wie der Abendwind
Autoren: Catherine Spencer
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Lily.“
    „Nein? Natalie ist ebenso meine Schwester wie deine, und du hast nicht gezögert, eine deiner Nieren anzubieten. Warum sollte ich nicht dasselbe tun?“
    „Weil …“ Er wusste nicht weiter.
    Sie zog tadelnd die Brauen hoch. „Da musst du dir etwas Besseres einfallen lassen. ‚Weil‘ ist keine Antwort.“
    „Ich habe gute Gründe“, erwiderte er. Er stand vor einem unlösbaren Dilemma: Einerseits würde er alles tun, um Natalies Leben zu retten, andererseits ertrug er den Gedanken nicht, dass Lilys wunderbarer, perfekter Körper verstümmelt würde. „Nein, es muss noch einen anderen Weg geben.“
    „Vielleicht sollten Sie alle die Entscheidung überschlafen“, schlug einer der Ärzte vor. „Heute Nacht werden wir ohnehin nichts mehr unternehmen. Fahren Sie nach Hause, und ruhen Sie sich aus. Wenn man übermüdet ist, trifft man nicht unbedingt die besten Entscheidungen. Wenn Sie“, er wandte sich Lily zu, „morgen noch immer derselben Meinung sind, lassen Sie es uns wissen. Wir machen dann sofort die nötigen Tests.“
    „Bring du Lily nach Hause, Sebastian“, bat Hugo, nachdem die Ärzte den Raum verlassen hatten. „Cynthia und ich bleiben bei Natalie.“
    „Du hast doch gehört, was der Arzt gesagt hat: Wir alle brauchen Schlaf.“
    „Wir könnten ohnehin kein Auge zumachen. Im Warteraum gibt es bequeme Liegen und genügend Decken. Ich rufe dich natürlich sofort an, falls eine Änderung von Natalies Zustand eintritt“, versicherte Hugo. „Also abgemacht: Wir bleiben hier bei ihr, und du kümmerst dich um Lily.“
    Oh ja, ich kümmere mich um sie und rede ihr das impulsive Angebot aus, und wenn ich die ganze Nacht dazu brauche, schwor Sebastian sich im Stillen.

11. KAPITEL
    „Du hast die Abzweigung zur Auffahrt verpasst“, bemerkte Lily.
    Seit sie und Sebastian das Krankenhaus verlassen hatten, hatte keiner von ihnen etwas gesagt. Beide waren sie in Gedanken versunken, und oberflächliches Geplauder hätte wenig Sinn gehabt.
    „Ich weiß.“
    „Wohin fahren wir denn?“
    „In meine Wohnung. Ich benutze die rückwärtige Zufahrt, weil der Weg kürzer ist.“
    Nein, sie wollte nicht in seine Wohnung, denn das würde zu viele schmerzliche Erinnerungen wecken. „Ich halte das für keine gute Idee.“
    „Lily, falls wir nachts ins Krankenhaus gerufen werden, sind wir viel schneller dort, wenn ich nicht zuerst zum Haupthaus fahren und dich abholen muss.“
    Einige hundert Meter weiter bog Sebastian in einen von Bäumen gesäumten Weg und hielt schließlich vor den Ställen an. „Außerdem müssen wir reden.“ Er schaltete den Motor aus und wandte sich ihr zu.
    „Reden bringt uns doch nur in Schwierigkeiten.“ Erschöpft fuhr sie sich durchs Haar. „Davon hatte ich heute schon genug.“
    „Na gut, ich rede, und du hörst mir zu.“ Er stieg aus und ging ums Auto zu ihrer Seite. „Komm schon, Lily. Jetzt ist nicht der Moment, um auf gegensätzlichen Standpunkten zu beharren. Wir müssen zusammenhalten.“
    Sie war zu müde, um zu streiten, und hatte Angst vor dem Alleinsein, deshalb gab sie nach. Geduldig wartete sie, während Sebastian ihr Gepäck auslud, dann folgte sie ihm in die Wohnung.
    Es herrschte eine ganz andere Atmosphäre als im Sommer. Ein Feuer brannte im Kamin hinter den Glastüren und warf einen orangefarbenen Lichtschein auf die hohe Decke, die Couchen waren so verschoben worden, dass sie den Kamin flankierten. Nur ein Fenster stand einen Spaltbreit offen. Man hörte den Fluss leise rauschen, und Lily erinnerte sich an die vielen Male, als sie mit Natalie und Katie am Ufer spazieren gegangen war. Wohin sie auch blickte, alles erinnerte sie an glücklichere Zeiten.
    Nachdem er ihre Taschen abgestellt hatte, ging Sebastian zum Schrank und füllte zwei Gläser. Lily setzte sich auf das eine Sofa.
    „Hier, trink das.“ Er reichte ihr ein Glas.
    Misstrauisch musterte sie es. „Was ist das?“
    „Kein Gift, falls du das befürchtest. Sobald ich wusste, dass du zurückkommst, habe ich Sherry für dich gekauft. Na los, Lily. Oder muss ich dir den Drink gewaltsam einflößen? Wir beide brauchen jetzt eine Stärkung.“
    „Ich bezweifle, dass Alkohol das Richtige ist. Er macht depressiv, und ich fühle mich schon elend genug.“ Sie seufzte. „Was kommt auf einen zu, wenn man eine Niere spendet?“
    „Bleib du schön hier sitzen, und trink den Sherry“, befahl er ihr schroff und ging hinaus. Kurz darauf hörte sie Töpfe und Pfannen klappern, dann durchzog der
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