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Sanft wie der Abendwind

Sanft wie der Abendwind

Titel: Sanft wie der Abendwind
Autoren: Catherine Spencer
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offenbaren musste – vorgezogen hatte, jahrelang inkognito zu bleiben? Mit einem Kuss, einer Umarmung, einem Händedruck?
    Und wie sollte sie ihn anreden? „Hugo“, kam ihr plötzlich viel zu vertraulich vor, „Mr. Preston“, hingegen zu formell. Und „Dad“? Nein, so hatte sie ihren Adoptivvater genannt.
    Hugo schien ihre Unsicherheit zu spüren, denn er fasste sie bei den Händen und küsste sie auf die Wangen. „Meine liebe Tochter, du ahnst nicht, was der heutige Tag mir bedeutet. Ich würde mich sehr freuen, wenn du mich eines Tages Vater nennen könntest. Bis dahin sag bitte Hugo zu mir. Und das“, er wandte sich der schlanken blonden Frau zu, die inzwischen vors Haus gekommen war, „ist meine Frau Cynthia.“
    „Ich freue mich auch, dich kennenzulernen. Herzlich willkommen, Lily! Das hier“, Cynthia wies auf den Hund, „ist Katie. Sie hält sich für ein vollwertiges Familienmitglied.“
    Katie gab unaufgefordert Pfötchen, und nun war Lily förmlich überwältigt und brach zu ihrer Bestürzung in Tränen aus. „Danke.“ Sie schluchzte leise. „Ich bin so glücklich, dass ich bei euch sein darf.“
    Cynthia legte den Arm um sie und führte sie die Stufen hinauf. „Ihr habt gestern Schlimmes durchgestanden, kein Wunder, dass du aufgewühlt bist. So, ich zeige dir, wo du dich frisch machen kannst, dann gibt es gleich Mittagessen. Sebastian, bring bitte Lilys Gepäck nach oben ins Rosenzimmer.“
    „Ich bin sonst nicht so rührselig“, entschuldigte Lily sich.
    „Wir ebenfalls nicht“, versicherte Cynthia ihr. „Hugo und ich haben allerdings auch Tränen in den Augen. Es ist nun einmal bewegend, wenn Vater und Tochter sich nach vielen Jahren begegnen.“
    Nachdem Lily sich im Gästebad das Gesicht mit kaltem Wasser gewaschen und das Haar gebürstet hatte, ging sie auf die Terrasse. Dort fand sie Hugo und Cynthia mitsamt Katie vor, und neben Sebastian stand eine junge Frau, die ihn ganz offensichtlich als ihr persönliches Eigentum betrachtete.
    „Guten Tag, ich bin Penny Stanford“, stellte sie sich vor und musterte sie, Lily, kritisch. „Ich wollte bei der Begrüßung der verlorenen Tochter dabei sein, die mir letzte Nacht den Mann abspenstig gemacht hat.“
    Sie können ihn gern behalten, hätte Lily am liebsten gekontert und Penny außerdem gefragt, ob sie wisse, dass Sebastian eine Geliebte in Toronto habe, die ein Baby erwartete.
    Sie beschränkte sich jedoch auf die höfliche Floskel: „Nett, Sie kennenzulernen, Penny.“
    „Ich glaube, wir können ein Glas Sherry vor dem Essen vertragen“, meinte Hugo. „Wie ist es mit euch, Penny und Sebastian?“
    „Nein danke“, antwortete Sebastian. „Ich habe noch viel im Büro zu erledigen, und Penny hat heute Nachtdienst.“
    „Ich bin Stationsschwester der chirurgischen Abteilung des städtischen Krankenhauses“, erklärte Penny hochtrabend.
    „Ich verkaufe Blumen“, sagte Lily honigsüß.
    „Wie schön für Sie!“ Penny gab dem Hund einen Klaps. „Pfui, Katie! Hör auf, an mir herumzuschnüffeln, das ist unhygienisch. Sebastian, ich habe mein Auto bei den Ställen abgestellt. Nimmst du mich mit? Und wollen wir sofort los?“
    „Ja.“ Er sah Lily an. „Einen schönen Tag noch.“
    „Du kommst doch zum Abendessen, Sebastian?“, erkundigte Cynthia sich.
    „Das hatte ich nicht vor.“ „Es ist Lilys erster Abend hier, und ich wollte die ganze Familie beisammenhaben, damit es etwas Besonderes wird.“ Sie lächelte verschwörerisch. „Ich habe frischen Hummer besorgt, und Clara macht dein Lieblingsdessert.“
    „Das ist ein unverfrorener Bestechungsversuch, meine Liebe.“ Hugo lachte und füllte die Sherrygläser. „Der junge Mann hat ein Recht auf Privatleben, und es gibt noch genug andere Abende, an denen wir ihn sehen können.“
    „Er hat ja auch schon mehr als seinen Anteil geleistet, um mich willkommen zu heißen“, mischte Lily sich ein. „Mir macht es nichts aus, wenn er sich für heute entschuldigt.“
    Kalt sah Sebastian sie an, dann blickte er zu seiner Mutter. „Hast du etwas von Hummer gesagt, Mom?“
    Cynthia nickte. „Ja, und zum Nachtisch gibt es Himbeertorte und hausgemachtes Vanilleeis.“
    „Dann rechne mit mir. Dieses königliche Festmahl möchte ich mir um nichts in der Welt entgehen lassen.“
    Ich hätte den Mund halten sollen, statt Sebastian herauszufordern, tadelte Lily sich. Nun hatte er die bislang letzte Runde gewonnen.
    „Jetzt muss ich ins Büro und einige Telefonate erledigen.“
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