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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus
Autoren: Simon Toyne
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geschaut und die Worte gelesen, und nun schauderte er entsetzt, aufgrund dessen, was er entdeckt hatte.
    Athanasius legte die Seiten mit den Abrieben wieder in den Nietzsche und stand auf. Er musste wissen, ob das, was er in den Worten der alten Sprache gefunden hatte, der Wahrheit entsprach. Sein Glaube hing davon ab. Jedermanns Glaube hing davon ab. Athanasius ging in den Zentralgang und stieg dabei über all die Bücher hinweg, die zu Boden gefallen waren. Er bemerkte das Chaos genauso wenig wie die erregten Stimmen, die das Gewölbe erfüllten. Er fühlte sich wie losgelöst. Schließlich kam er in die Eingangshalle und schwebte zur Luftschleuse. Nur schwach drang das Heulen der Bibliothekare, die sich die Haare rauften, zu ihm durch.
    Der Geruch von Rauch stieg Athanasius im selben Augenblick in die Nase, als er die Luftschleuse verließ und in den Gang hinaustrat. Der Rauch hatte etwas Beißendes, Bitteres an sich – wie Schwefel –, und er mischte sich mit dem Lärm des Chaos und der Angst, das durch die unteren Flure hallte. Zwei Mönche in braunen Soutanen eilten an Athanasius vorbei und nach unten zur Quelle des Rauchs. Athanasius stellte sich vor, wie sie plötzlich vor einem Spalt im Fels standen, aus dem der Gestank quoll – vor einem Spalt voller Feuer und Schwefel.
    Athanasius drehte sich um und ging in die entgegengesetzte Richtung, nicht den Berg hinunter, sondern hinauf, seiner eigenen Offenbarung entgegen. Er wusste, dass dieser Pfad verboten war, und vermutlich ging er seinem Tod entgegen, aber aus irgendeinem Grund machte ihm das keine Angst. Er konnte nicht im kalten Schatten der Worte leben, die er gerade gelesen hatte. Lieber würde er in dem Wissen sterben, dass sie falsch waren, als mit dem Verdacht zu leben, dass sie wahr sein könnten.
    Athanasius stieg eine Treppe zum obersten Absatz der unteren Gewölbe hinauf. Dort bog er in einen Gang ein, von dem mehrere andere Gänge wegführten. Am Ende des Gangs bewachte ein Rotmantel die Tür, die in den oberen Bereich des Bergs führte. Athanasius hatte keine Ahnung, wie er an dem Mann vorbeikommen sollte, doch tief in seinem Herzen war er überzeugt davon, dass er es schaffen würde.
    Plötzlich bemerkte Athanasius, dass er noch immer das Buch mit den gestohlenen Seiten in der Hand hielt, und er drückte es sich an die Brust wie einen Talisman. Er trat ein paar Schritte auf den Wächter zu und sah, wie der Mann just in dem Augenblick in seine Richtung blickte, als eine andere Tür sich öffnete. Ein weiterer Wächter betrat den schmalen Gang. Er hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen.
    Dann verlosch das Licht, und der Gang versank in undurchdringlicher Dunkelheit.

K APITEL 139
    Liv wachte auf und dachte an Donner.
    Sie öffnete die Augen.
    Hunderte von Lichtern tanzten vor ihr in der Dunkelheit. Sie versuchte, sich zu konzentrieren, und spürte ein Beben in dem kalten, harten Boden unter sich. Sie sah Kerzenflammen, deren Licht sich in blanken Klingen spiegelte ... und dann sah sie noch etwas anderes neben sich auf dem Boden: einen Körper mit nackter Brust, und vertraute Linien prangten stolz und grotesk auf seiner schwach schimmernden Haut.
    Liv streckte die Hand nach ihm aus und ignorierte den Schmerz in ihrem Kopf. Ihre ausgestreckte Hand berührte ein Gesicht so kalt wie der Berg, und sie zog es zu sich herum. Ein leises, animalisches Stöhnen entkam ihrer Kehle. Trotz seines gewaltsamen Todes und der brutalen Autopsie sah Samuel geradezu friedlich aus. Liv zog sich über den Boden zu ihm hinüber. Tränen brannten ihr in den Augen, und sie hob den Kopf, um sein Gesicht zu küssen. Sie drückte die Lippen auf seine kalte Haut ... und wurde von hinten gepackt und grausam von ihrem Bruder weggerissen.
    *
    Gabriel entdeckte den Wächter wenige Augenblicke, bevor das Licht verlosch.
    Er stolperte in der plötzlichen Dunkelheit und fing den Sturz instinktiv mit den Armen ab. Schmerz schoss durch seinen Körper. Er schluckte ihn herunter und zwang sich, leise durch den Gang und zur anderen Wand zu kriechen. Wenigstens hatte er die Waffe und den PDA nicht fallen lassen. Kurz bevor er den Gang betreten hatte, hatte er verstohlen einen Blick auf den PDA geworfen. Das Transpondersignal kam von irgendwo hinter der Tür am Ende des Gangs, vor der der Wächter stand.
    Gabriel fand die Wand. Nun konnte er sich wieder einigermaßen orientieren, und er richtete die Waffe in etwa auf die Stelle in der Dunkelheit, wo er den Wächter zuletzt gesehen
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