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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus
Autoren: Simon Toyne
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sah sich selbst mit Samuel im von der Sonne gebleichten Gras am Seeufer ihrer Kindheit sitzen, und sie lauschten den Geschichten ihrer Großmutter aus der nordischen Vergangenheit.
    Es soll nicht für jeden offensichtlich sein , hatte Arkadian über die Zeichen auf den Apfelkernen gesagt.
    Es war für Sie bestimmt.
    Die Gerüche und Erinnerungen ließen nun alles schrecklich klar erscheinen. ›Ask‹/›Frag‹ ... das war kein Befehl gewesen. Es bezog sich auf die Sage von Ask und Embla, den ersten beiden Menschen. Die Botschaft, die Samuel ihr geschickt hatte, lautete:
    Ask + ?
    Mala T
    Das Tau und das Fragezeichen waren unterstrichen, weil sie beide das Gleiche waren. Das Malakreuz – das Tau – war Embla. Das Sakrament war Eva.

K APITEL 141
    Als Cornelius die grünen Augen gesehen hatte, die ihn durch den Schlitz im Tau angestarrt hatten, hatte er einen furchtbaren Augenblick lang geglaubt, es sei die Frau in der Burka, die durch irgendein Wunder hier gelandet war. Erst nachdem der Abt ihm ihre Identität enthüllt hatte, hatte er das wahre Wunder des Sakraments erkannt. Sie war nicht einfach nur die Frau in der Burka oder die Mutter, die ihn als Neugeborenen ausgesetzt hatte, sie war der Ursprung aller weiblichen Falschheit.
    Eva musste für die Verbrechen sterben, die sie wider Gott und die Menschen begangen hatte. Das war der einzige Weg, die Welt von ihrem Gift zu befreien, und irgendwie war die sich windende Frau in seinem Griff der Schlüssel dazu. Er spürte, wie sie sich wehrte, sah den Dolch in ihrer Hand und wie sie versuchte, sich von dem Symbol seines Hasses wegzudrehen, das in dem Kreuz gefangen war, und ohne darüber nachzudenken, stieß er sie mit aller Kraft nach vorne und direkt gegen Eva.
    *
    Liv schnappte beim Aufprall unwillkürlich nach Luft und atmete einen uralten Geruch ein, Erde mit dem Versprechen auf Regen. Es war der Geruch von Eva, und er tröstete sie. Liv spürte den Dolch zwischen ihren Körpern, doch die Waffe war in ihrer Umarmung nutzlos geworden; dennoch fühlte sie plötzlich Schmerz. Er kam von ihrem Hals und von der rechten Schulter, wo der Stoß sie beide auf die Dornen im Tau getrieben hatte.
    Liv hörte wütende Befehle hinter sich und spürte, wie sie so rasch wieder zurückgerissen wurde, wie sie nach vorne gestoßen worden war. Der Schmerz war furchtbar. Sie fühlte etwas Warmes aus ihrem Hals und über ihre Brust rinnen; dann gaben ihre Beine nach, und sie glitt zu Boden.
    *
    Der Abt sah sie fallen, und mit ihr fielen seine Träume in sich zusammen.
    Er schaute zu Cornelius. Am liebsten hätte er den Kerl umgebracht, und er griff nach dem Dolch in seinem Kreuz. Dann ließ ein Geräusch ihn innehalten.
    Es war ein leises Geräusch wie das Rauschen der Brandung, und es kam von Eva. Er drehte sich zu ihr um. Sie schluchzte. Die unergründlichen grünen Augen waren auf die zusammengebrochene Gestalt der jungen Frau gerichtet, und Evas schmale Schultern zitterten. Der Abt sah eine Träne durch die Dunkelheit fallen und in dem immer größer werdenden Flecken Blut versinken.
    Dann zerriss ein weiteres Geräusch die Luft in der Kapelle, ein Schrei so machtvoll, dass der Abt und Cornelius die Hände auf die Ohren schlugen.
    Es klang, als würde ein großer Baum zersplittern oder ein Gletscher brechen. Es war das Lied der Sirene ... und es war voller Wut und Trauer.
    Der Abt starrte Eva an und trotzte ihrem Zorn. Dann, im selben Augenblick, als das furchtbare Heulen verhallte, sah er Blut aus ihren Wunden strömen. Es begann als Rinnsal, wurde aber stetig stärker, und es kam aus all den Stichwunden in ihrem Leib und den tiefen, zeremoniellen Schnitten. Staunend schaute der Abt zu, wie das Blut an Evas Körper herunterlief und in die steinernen Kanäle, in dem sich auch Livs Blut sammelte. Er hatte sie noch nie so stark bluten sehen.
    Sie stirbt , dachte er, und ein Gefühl des Triumphs keimte in ihm auf.
    Und dann sprach Eva.
    »KuShikaaM«, sagte sie. Ihre Stimme war ein tröstendes Flüstern, das auf die Frau am Boden gerichtet war. »KuShikaaM.«
    Die junge Frau hob den Blick wie ein Kind, das zu seiner Mutter emporschaut. Dann lächelte sie und schloss langsam die Augen – wie auch Eva.

K APITEL 142
    Gabriel hatte gerade den obersten Treppenabsatz erreicht, als das schreckliche Geräusch durch die Dunkelheit hallte. Er lief sofort los und nutzte den furchtbaren Lärm als Deckung. Er duckte sich in den schwach beleuchteten Tunnel, aus dem das Geräusch gekommen war,
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