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Sanchas Hofnarr (German Edition)

Sanchas Hofnarr (German Edition)

Titel: Sanchas Hofnarr (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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sie ihn in heller Empörung einen Schwächling hieß, dann – Falk erschrak, denn das war kein gutes Zeichen! - dann schob sich das Antlitz seiner Mutter über Sanchas Gesicht: Im weißen Habit und mit strengem Blick – sie musste doch längst tot sein! - forderte sie ihn auf, in die Heimat zurückzukehren. Sofort versuchte Falk die Schimären wegzuzwinkern – aber damit verschlimmerte er alles noch. Tausende schwarzer Krähen stürzten plötzlich vom Himmel, und im dem Zickzack-Geflirre, das er bei diesem Trugbild vor Augen hatte, tauchten zwei Schemen auf, von denen er allerdings im Nachhinein glaubte, dass sie als einzige Präsenz echt gewesen sein könnten. Nach seiner Erinnerung hatten sie rote Tatzenkreuze auf ihren Mänteln getragen. Aber sicher war er sich nicht.
    Im Ort ließ er sich vom Pferd gleiten und schleppte sich zur erstbesten Tür, um nach einer Herberge zu fragen. Eine Frau öffnete. Ihr Gewand schlotterte zum Erbarmen um ihren Leib. Dass der Strohsack trocken war, auf den die Frau und ein Junge aus der Nachbarschaft ihn betteten und die Decke, die sie ihm überwarfen, groß genug für seine langen Beine, bekam er noch halbwegs mit. Irgendwann versuchte die Frau ihm Brotsuppe einzuflößen, doch Falk erbrach sie im Schwall.
    „ Aie, aie, aie “, klagte die Frau und zog ihm die verschmutzten Kleider aus. Das Hemd, das sie ihm gab, war geflickt und zu kurz. Aber das machte nichts.
    Falk deutete auf seinen Kräuterbeutel und versuchte ihr zu erklären, welchen Aufguss sie ihm zubereiten sollte; nur brachte er keinen vernünftigen Gedanken mehr zusammen und kaum ein Wort heraus.
    In der Nacht flößte die Frau ihm etwas Bitteres ein, das er wider Erwarten bei sich behielt. Als sie ihm am nächsten Morgen sein Wams und ein weiteres frisches Hemd brachte, ging es ihm etwas besser.
    Blinzelnd betrachtete er die Frau, erinnerte sich sogar an den Namen, mit dem der Nachbarjunge sie angesprochen hatte: Grazide. Sie war nicht jung, aber auch nicht alt. Früher, mit all ihren Zähnen, musste sie ansehnlich gewesen sein. Ein Rest Eitelkeit in Form eines blitzsauberen blauen Tuchs, das sie über die verworrenen Haare gebunden hatte, haftete ihr noch immer an. Das Tuch war mit kleinen bunten Blüten bestickt. Vermutlich ihr einziger Reichtum. Ja, Falk hatte ganz den Eindruck, dass der Name des Gastes, der vor ihm hier genächtigt hatte, Hunger gewesen war.
    Grazide hängte das gesäuberte Wams an einen eisernen Haken und streifte ihm das frische Hemd über. Dann flößte sie ihm erneut von jenem bitteren Sud ein, der ihm in der Nacht so gut getan hatte.
    „Was ist das?“, stieß er hervor.
    „Mohn und Eberraute, das vertreibt den Husten und die Würmer“, sagte sie fröhlich und verließ die Kammer, um ihm einen warmen Ziegel für seine Füße zu holen, wie sie sagte.
    „Würmer?“ Hagelstein bezweifelte ihren Befund, aber es war ihm gleich. Er baute darauf, dass sie wusste, was sie tat, schloss zufrieden die Augen und versank sogleich in den gnädigen Schlaf, den der Mohn nun einmal bescherte.
    Irgendwann spürte er, wie ihm die Frau die Bruche auszog und ihm den Hintern wusch, ein andermal, wie sie seine Brust mit warmem Kräuteröl einrieb. Und als sie sich zu ihm legte, um ihn zu wärmen, denn die Kälte saß offenbar so hartnäckig in seinen Gliedern wie die Würmer im Gedärm, verwehrte er ihr die Nähe nicht. Im Gegenteil. Er fühlte sich von Grazide beschützt, hörte sie zur Nacht beten und betete leise mit.
    Am dritten oder vierten Tag jedoch wurde er unsanft aus seinem Dämmerschlaf gerissen: Eine raue Zunge fuhr ihm quer übers Gesicht. Falk schnappte nach Luft und riss die Augen auf: Eine Ziege glotzte ihn an und der Sabber tropfte ihr nur so vom Maul.
    „Hau ab, du stinkst ja wie zehn tote Teufel!“, entfuhr es ihm ungewollt in seiner Muttersprache, und er gab dem Tier einen eher kraftlosen Tritt, worauf es dennoch meckernd das Weite suchte.
    Grazide erschien, lachend, einen Kübel unterm Arm.
    Hagelstein hob den schweren Kopf.
    „ Aie , Honigmann! Musst schon wieder scheiß`n?“
    „Honigmann?“, krächzte er, seine eigene Stimme kaum erkennend. Aber es drängte ihn tatsächlich zum Stuhl.
    „Nur munter den Arsch hoch!“, lachte sie. Sie zog ihm erneut die Bruche aus und schob ihm den Kübel unter. Noch während er sich dröhnend erleichterte, begann er zu ahnen, dass er der Ziege Unrecht getan hatte.
    Grazide, die geschickt die fehlenden Zähne verbarg, ohne auf ihr herzliches
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