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Sanchas Hofnarr (German Edition)

Sanchas Hofnarr (German Edition)

Titel: Sanchas Hofnarr (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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in der Welt Bewegung sei,
    drum bleiben die Gedanken frei ...

    Eine ganze Weile zogen sie zu zweit in Bamberg umher, wobei sich Falk seinen Lebensunterhalt weitgehend als Freidanks Schreiber verdiente.
    Doch irgendwann hatte der Dichter weiterziehen wollen, allein, ohne ihn.
    Falk war am Boden zerstört gewesen, aber Freidank erklärte ihm, das Leben, das er mit ihm geführt hätte, sei nur eine Straße gewesen. „Es gibt andere. Mach dich auf den Weg, doch zuvor such dir einen tüchtigen Lehrherrn, und vergiss dein Latein nicht“, war sein Rat gewesen.

V.
    FALK VON HAGELSTEIN
    in Diensten bei Mätzli und Fritzo Rübsam

    Ort: Bamberg am Main

    „Ich glaube fest, dass nie ein Mann
    aus Wahrheit Lüge machen kann
    und Lüge wird zur Wahrheit nicht,
    selbst wenn der Papst sein Machtwort spricht.“
    (Freidanks Bescheidenheit, 170,10)

Z wei Tage später hatte Falk bei Fritzo Rübsam angeklopft - einem berühmten Doctor medizinae .
    Rübsam - weit wallte ihm das weiße Haar über seine Schultern, zog den mit kunstvollen Stickereien versehenen Mantel aus, mit dem er die Kranken begrüßte, und bat ihn herein. Nach einigem Zaudern, ob er ihn auch wirklich nehmen sollte, versprach er Falk zwar keinen Lohn, wohl aber Kost und Bleibe, wenn er ihm drei Eide schwor:
    „Erstens verlange ich von Euch“, sagte er, „dass Ihr mir täglich ohne Murren assistiert. Zweitens, dass Ihr keine Einsicht in meine Bücher nehmt, und drittens dass Ihr meiner Tochter Mäzli nicht zu nahe tretet.“
    Falk von Hagelstein dachte an Freidank und schwor.
    Rübsams Zulauf war groß. Weit vor Tagesanbruch standen die ersten Kranken in einer langen Schlange vor der Tür, und viele kamen von ganz weit her.
    „Junker Falk“ sagte der Doktor zwei Tage später zu ihm, „Ihr gefallt mir, indes nicht Euer Erscheinen. Ich lasse Euch also auf meine Kosten ein buntes Atlaswams anfertigen, damit Euch die Leute Vertrauen schenken. Ein guter Eindruck ist die halbe Kunst in unserem Gewerbe.“
    Falk war überaus erfreut über die Großzügigkeit seines Lehrherrn. Es gefiel ihm im Hause Rübsam. Nur eines machte ihm Sorgen: Er mochte Mäzli allzu gut leiden. Ihr rotblondes, dickes Haar trug sie zu zwei Zöpfen geflochten. Sie war reinlich, fleißig, fromm und ihrem Vater zugetan. Und noch immer suchte sie täglich das Grab ihrer Mutter Kunne auf, obwohl diese seit Jahren tot war.
    Von Mäzli erfuhr Hagelstein, dass sein Vorgänger nur die ersten zwei der drei Eide hatte schwören müssen. Und sie erklärte ihm den Grund dafür:
    „Bertschie war strohdumm“, sagte sie und sah ihn treuherzig an, „aber er hatte wie Ihr, Junker Falk, keinen Abscheu vor blutigen und eitrigen Geschwüren und Gebresten. Deshalb brachte es der Herr Vater auch nicht übers Herz, ihn aus der Stadt zu jagen, als er begann, ständig um mich herumzuschleichen. Vater verfügte jedoch, dass Bertschie fortan das Nachtlager drüben beim Schmied aufschlug ...“
    Nach einem lauten Seufzer erzählte ihm Mäzli, wie Bertschie mehrere Nächte vor ihrem Fenster zugebracht hatte und in einer Nacht sogar aufs Dach geklettert war, um durch das Abzugsloch zu gucken, was sie so trieb.
    „Aufs Dach?“
    „ ... das mittendurch brach von seinem Gewicht! Bertschie fiel auf den Herd, und all die tönernen Kessel und Töpfe der Mutter sprangen zu Boden und zerborsten in tausend Scherben.“
    „Und Euer Vater?“
    „Der eilte Bertschie im Hemd hinterher, doch dieser hatte bereits Fersengeld gegeben. Und obwohl ich unschuldig war“, klagte sie Falk mit einem treuherzigen Augenaufschlag ihr Leid, „denn ich mochte Bertschie gar nicht, packte mich mein Vater bei den Zöpfen und sperrte mich in die Besenkammer, die kein Fenster hat. Dort musste ich einen ganzen Tag verweilen.“
    Mäzli zog ein Mundtuch aus ihrem Gewand und tupfte sich die Tränen ab. „Dass dieser Kerl auch noch den Dorfschreiber bedrängt, ihm einen Liebesbrief für mich aufzusetzen, damit haben wir nicht gerechnet. Nun, für seinen Wahn gab es wohl kein Kräutlein“, meinte sie sanft lächelnd. „Dumm war bloß, dass er den Brief um einen Stein gewickelt hatte und diesen durchs offenstehende Küchenfenster hereinwarf. Der Stein traf mich am Kopf und ich fiel mit einem Aufschrei wie tot um. Und als mich der Herr Vater in meinem Blute liegen sah – er dachte tatsächlich ich sei verschieden – da schrie er aufgebracht wie ein tollwütiges Frettchen die Gasse zusammen. Alles Volk kam angelaufen, um mich, die „Tote“ zu
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