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Samuel Carver 04 - Collateral

Samuel Carver 04 - Collateral

Titel: Samuel Carver 04 - Collateral
Autoren: Tom Cain
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den Schaft und zog die Waffe sacht zu sich heran.
    Lobengula ließ sich das frische, körperwarme Fleisch schmecken. Die Wunden waren vergessen. Er hatte nichts anderes im Kopf als seine Mahlzeit.
    Aber dann bemerkte er aus dem Augenwinkel, dass sich neben seiner Schwanzspitze etwas bewegte. Er hob den Kopf und blickte nach hinten.
    Carver wartete nicht, ob der Löwe angriff. Er stellte sein M4 auf Automatik und verschoss ein ganzes Magazin auf das Tier. Teils war er traurig, fast beschämt, weil er eine prächtige Raubkatze niedermetzelte. Aber ungleich größer war der Drang, nicht als Dessert zu enden. Er erlebte einen schrecklichen Moment, als es so aussah, als würden die Kugeln nicht reichen, wo der Kampfgeist des Löwen so groß wurde, dass er trotz der Geschossgarbe angreifen wollte. Doch als er gerade zum Sprung ansetzte, musste ihn eine Kugel ins Herz getroffen haben, denn seine Beine knickten ein, und er fiel tot zu Boden.
    Der Löwe war tot, Mabeki nicht. Er sah aus wie eine Leiche auf dem Seziertisch: Hals und Schulter aufgerissen, der Unterarm abgetrennt. Doch die Reißzähne hatten sein Herz und die Luftröhre verfehlt, sodass er noch atmete. Mühsam.
    »Helfen Sie mir«, flüsterte er. »Bei der Liebe Gottes, helfen Sie mir.«
    Ach nein, plötzlich wirst du religiös, dachte Carver.
    Er nahm das leere Magazin aus dem M4 und rammte ein frisches hinein. Mabeki lag vor ihm mit seinem entstellten Gesicht und dem zerfleischten Oberkörper.
    »Sicher«, sagte Carver. »Ich helfe Ihnen.«
    Dann drückte er ab und ließ erst los, als das Magazin leer war.
    Als das Töten vorbei war, fühlte er sich leer. Er blickte auf die Leichen und fragte sich, welchen Sinn das alles hatte. Zalikas hübsches Gesicht war unverletzt geblieben, und wie er sie im fahlen Mondlicht daliegen sah, sah sie fast aus, als könnte er sie wachküssen. Doch ihr Schlaf war ewig. Carver schob ein drittes Magazin in sein M4, mehr aus Gewohnheit als aus irgendeinem anderen Grund, und ging durch den Hohlweg davon.
    Er war ungefähr hundert Meter gegangen, als er jemanden stöhnen hörte. Carver lief schneller, dann sprintete er.
    Justus war noch am Leben. Zalika hatte ihn nur angeschossen. Und Carver würde ihn über die Grenze bringen, und wenn es das Letzte wäre, was er tat.

SECHS MONATE SPÄTER

100
    Samuel Carver kaute einen Bissen von dem butterzarten Filetsteak – es war schön blutig, genau richtig für ihn – und trank einen Schluck von dem 2001er Jardin Sophia, einem superben Rotwein aus Stellenbosch in Südafrika. Er schaute durch das Restaurant, wo die Kellner an den voll besetzten Tischen bedienten. Kaum zu glauben, dass sie in Sindele waren, der Hauptstadt des neuen, demokratischen Malemba.
    »Wenn man bedenkt, dass das ganze Land vor einem halben Jahr noch gehungert hat, ist das kein schlechtes Steak«, sagte er.
    Brianna Latrelle lachte höflich. Sie blieb bei Mineralwasser. Das musste sie, denn sie war im siebten Monat schwanger.
    »Es ist ein sehr fruchtbares Land, das ein größenwahnsinniger Diktator hat verkümmern lassen.«
    »Was ihm wohl zugestoßen ist, frage ich mich.«
    Diesmal lachte Brianna spontan. Mitunter hat sie eine ziemlich dreckige Lache, dachte Carver. Und das war nur eines von vielen Dingen, die er an ihr sympathisch fand.
    »Wer hätte gedacht, dass es so kommt?«, meinte Brianna. »Tshonga kommt aus der Versenkung und fordert Wahlen mit korrekter Auszählung ...«
    »Der Typ hat Nerven, finden Sie nicht?«, sagte Carver. »Man muss ihn bewundern, wirklich, wie er so über Frieden und Demokratie reden kann, ohne eine Miene zu verziehen.«
    »Nun ja, er ist davon überzeugt.«
    »Bis zu einem gewissen Grad.«
    »Ja, gut, er mag ein oder zwei Fehler gemacht haben. Aber seien Sie fair: In diesem Land ist das doch gar nichts.«
    »Und es gab praktischerweise einer geeigneten Sündenbock, der den Anschlag auf die Gushungos zufällig überlebt hatte, um dann an der Grenze zu Südafrika als Löwenmahlzeit zu enden.«
    »Hätte keinem Besseren passieren können«, meinte Brianna.
    Carver hob das Glas. »Darauf trinke ich sofort.«
    Eine Weile aßen sie in angenehmem Schweigen, dann sagte Carver: »Jetzt sitzen wir hier, zwei Aufsichtsräte der Kamativi Mining Corporation. Wie fanden Sie die erste Aktionärsversammlung, Frau Vorsitzende?«
    »Ich finde, sie ist gut verlaufen, Mr. Carver«, antwortete sie.
    »Eigenartig, wie sich alles entwickelt hat, nicht wahr? Ich mache mich über Tshonga lustig, aber er
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