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Samuel Carver 04 - Collateral

Samuel Carver 04 - Collateral

Titel: Samuel Carver 04 - Collateral
Autoren: Tom Cain
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weiter. Als er Wasser in die Kaffeemaschine goss, stampfte sie fluchend in dem Zimmer umher. Er sollte hören, wie es ihr ging, während sie ihre verstreuten Kleider zusammensuchte.
    Er schaute über die Dächer der Altstadt, die im ersten wässrigen Licht des Morgens von Schwarz zu Schlachtschiffgrau übergingen. Plötzlich verspürte er einen Bärenhunger. Er hatte am Abend nichts gegessen, und er würde auch jetzt nichts essen. Im Kühlschrank gab es nur eine halb leere Flasche Sancerre und ein altes Stück Gruyère, das wahrscheinlich die Konsistenz von Hartplastik hatte und dick mit grün-weißem Schimmel überzogen war.
    Die Kaffeemaschine blubberte und verriet, dass das Wasser gekocht hatte. Carver schob eine Tasse unter die Tülle. In der Tasse war der braune eingetrocknete Rest mehrerer Espressos von gestern. Aber egal: Der kochend heiße Kaffee würde etwaige Bazillen umbringen. Auswaschen konnte er sich sparen.
    Bis er sich den Kaffee eingeschenkt hatte und die Küche verließ, war sie auf dem Weg zur Wohnungstür.
    »Was für ein Problem hast du?«, höhnte sie, als sie bemerkte, dass er sie betrachtete. »Klappt’s nicht? Kriegst du keinen hoch? Pah!«
    Er trank seinen Kaffee und machte ihr die Tür auf. »Bitte sehr.«
    »Oh, vielen Dank, du feiner Engländer.« Der Sarkasmus war dick aufgetragen.
    »Bevor du gehst«, er versperrte ihr den Weg mit dem Arm, »wie heiße ich?«
    Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Keine Ahnung. Ist mir egal. Will dich sowieso nicht wiedersehen.«
    »Dann sind wir uns ja einig.«
    Er ließ den Arm sinken, und sie ging, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen. Er schloss die Tür und schlenderte zurück zur Kaffeemaschine, während er überlegte, seit wann er die Dinge so schleifen ließ. Nicht nur bei dieser Italienerin, sondern insgesamt.
    Blöde Frage. Er wusste es ganz genau. Auf die Sekunde genau konnte er die Entwicklung zurückverfolgen. Es war der Moment gewesen, in dem eine andere Frau durch diese Tür hinausgegangen war und die Endgültigkeit ihm das Herz gebrochen hatte.
    Auch jetzt noch, Monate später, gab es Augenblicke, wo er sich einbildete, Alix Petrowa irgendwo zu sehen. Es brauchte nur ein goldblonder Kopf in der Menge aufzutauchen, ein Hauch von ihrem Parfüm an ihm vorbeizuziehen, eine ähnliche Stimme in der Nähe zu hören sein.
    Egal wie oft das vorkam, er war hilflos gegen die aufwallende Hoffnung und gegen den vernichtenden Schmerz, wenn die Hoffnung zerstob.
    Er zog sich etwas an und verließ das Haus auf der Suche nach einer Bäckerei, die ihm ein paar Stücke Pizza oder einen Croque Monsieur verkaufte. Vielleicht auch beides. Die Kalorien würde er brauchen, denn sobald er gefrühstückt und geduscht hatte, wollte er in die Berge hinauffahren. Er wollte durch den Wald und über Wiesen joggen, laufen, bis er den Restalkohol im Körper und das Gift in seiner Seele verbrannt hatte. Und morgen würde er es genauso machen.
    Es war höchste Zeit, wieder Biss zu bekommen, Zeit, ein konzentriertes Leben zu führen. Doch auch die beste körperliche Verfassung brachte einen nur bis an einen gewissen Punkt.
    Was Samuel Carver wirklich brauchte, war ein Job, ein Auftrag, bei dem er seine speziellen, todbringenden Fähigkeiten ausüben konnte. Aber einige tausend Kilometer weit entfernt, in dem afrikanischen Staat Malemba, sollte diesem Bedürfnis entsprochen werden.

2
    Im Stratten-Reservat im Süden Malembas, an der Grenze zu Südafrika, stand eine schwarze Nashornkuh friedlich in einem Akaziengehölz bei dem Teich am Flussufer, wo sie zu trinken pflegte. Die Wildhüter, die wie vernarrte Pateneltern ihre Entwicklung seit fünfzehn Jahren verfolgt hatten, nannten sie Sinikwe. Allen wichtigen Tieren – den Nashörnern, Elefanten und Großkatzen – gaben sie Namen.
    Sinikwe schaute auf, als sie ihr Kalb Fairchild schreien hörte. Es machte gerade die leidvolle Erfahrung, dass die Akazienblätter zwar zart und köstlich waren, aber von bösartigen Dornen geschützt wurden. Das Kalb erlitt keine ernsthaften Verletzungen, und so war der Hunger bald größer als der Schmerz. Es wandte sich wieder der Akazie zu, ein bisschen vorsichtiger nun. Es hatte dazugelernt. In der Nähe fraßen zwei weitere Kälber, Sinikwes zweijährige Tochter Lisa-Marie und deren Cousine Kanja. Kanjas Mutter Petal war an den Teich gegangen, um ihren Durst zu stillen.
    An dem Akaziengehölz führte eine unbefestigte Straße vorbei, wo Touristen in halb offenen Geländewagen
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