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Samuel Carver 04 - Collateral

Samuel Carver 04 - Collateral

Titel: Samuel Carver 04 - Collateral
Autoren: Tom Cain
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die Jungs hier sind.«

4
    Der vierundsiebzig Jahre alte Mann, der in dem großzügigen Arbeitszimmer in Sindele hinter dem Mahagonischreibtisch saß, hatte seine Laufbahn als Dorfschullehrer begonnen, in derselben bescheidenen Schule, wo er selbst bei anglikanischen Missionaren seine Ausbildung erhalten hatte. Wäre sein Leben dem vorgezeichneten Kurs gefolgt, wäre Henderson Gushungo nun pensioniert und würde als geachtetes Mitglied seiner kleinen Gemeinde seine Tage unter einem schattigen Baum zubringen, mit den anderen alten Männern plaudern, nörgeln, wie sehr sich die Welt verändert hatte, und sich über seine Enkel freuen.
    Gushungo hatte jedoch andere, radikalere Vorstellungen gehabt. Er hatte sich der Widerstandsbewegung gegen die weiße Minderheit angeschlossen, die das Land beherrschte, als wäre es noch immer eine britische Kolonie. Wie Nelson Mandela in Südafrika hatte er seinen Ruf unter seinen Anhängern und Radikalen in der ganzen Welt gepflegt, indem er für seine Überzeugungen ins Gefängnis ging. Aber im Gegensatz zu Nelson Mandela hatte er bei seiner Entlassung aus dem Gefängnis nicht den Willen zur Versöhnung gehabt, sondern nur an Rache gedacht. Jahrelang hatte er an zwei Fronten gekämpft: in der Öffentlichkeit gegen die Weißen und verdeckt gegen seine Rivalen in der Befreiungsbewegung. Nun hielt er das Schicksal des ganzen Landes in seinen Händen. Als er Premierminister gewesen war, hatte er sich zum Präsidenten gemacht und sich nie einer Wahl gestellt, deren Resultat nicht schon festgestanden hatte, bevor eine einzige Stimme abgegeben war.
    Gushungo bezeichnete sich als den Vater der Nation. Doch er war ein sehr strenger, grausamer Familienvorstand.
    Seine Soldaten kämpften im kongolesischen Urwald. Seine Schergen zwangen weiße Farmer, ihren Besitz zu verlassen, und vertrieben Hunderttausende schwarzer Malember aus Gebieten, wo sie nach seiner zunehmend paranoiden Vorstellung eine ernsthafte Opposition bilden könnten. Seine entmutigten Gegner waren nicht imstande, ihn aus dem Amt zu werfen, und beteten daher zu Gott, er möge das für sie erledigen. Doch der alte Gushungo hatte nicht die Absicht, in nächster Zeit vor seinen Schöpfer zu treten. Sein Haar war noch dicht und schwarz, sein Gesicht bemerkenswert faltenlos, seine Haltung aufrecht. Seine Mutter war über hundert Jahre alt geworden. Er hatte noch viel vor sich.
    Auf seinem Schreibtisch klingelte eines der Telefone.
    »Die Sache ist angelaufen«, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung.
    »Ausgezeichnet«, sagte Henderson Gushungo. »Geben Sie mir Bescheid, wenn die Operation beendet ist.«

5
    Als Andy Stratten Moses Mabeki am Flugplatz von Buweku abholte, begrüßte er ihn mit: »Sawubona, mambo!« Auf Ndebele, dem im südlichen Malemba weit verbreiteten Zulu-Dialekt, hieß das: Sei gegrüßt, König!
    Moses grinste, als sie die rechte Faust gegeneinanderstießen und dann ans Herz drückten. Hinter der fröhlichen Begrüßung steckte jedoch eine ernste Wahrheit. Für die große Mehrheit der Malember, die auf dem Stratten’schen Land lebten und arbeiteten, war nicht Andy, sondern Moses der wahre Aristokrat. Er konnte seine Abstammung bis zu Mzilikazi zurückverfolgen, dem Gründer des Ndebele-Stammes, der staatsmännische Führungsqualitäten und das Bestreben zum Völkermord in sich vereinigt hatte. Das Land, über das sie auf dem Weg zu den Strattens geflogen waren, war das Territorium, das Mzilikazi vor hundertsechzig Jahren erobert hatte. So hatte es niemanden überrascht, dass Moses in London die Kunst des Regierens studierte. Andy hatte oft zu seinen Freunden gesagt: »Eines Tages werde ich den Besitz der Strattens führen. Aber er wird das ganze Land führen.«
    Es dauerte eine gute halbe Stunde, bis die Cessna ihr Ziel erreichte.
    »Jetzt guck dir die an«, sagte Andy, als er das wild winkende Mädchen auf dem Rasen entdeckte. »Ich sag’s dir, Mann, meine Schwester ist das verrückteste Huhn in ganz Malemba.«
    Moses lachte. »Sei nicht grausam. Zalika hat ein gutes Herz.«
    Stratten landete das Flugzeug mit geübter Leichtigkeit. Bis die Maschine langsam rollend zum Stillstand kam, war Zalika, die eine Staubwolke hinter sich herzog, nur noch ein paar Meter entfernt. Der offene, olivgrüne Landrover stand noch nicht ganz, da warf sie das Mobiltelefon auf den Beifahrersitz und sauste schon auf die zwei jungen Männer zu, die soeben aus dem Flugzeug stiegen.
    »Moses!«, schrie sie entzückt und schloss
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