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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut
Autoren: Benoite Groult
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ich beim Arzt. Die Neuigkeiten sind nicht so toll.«
»Wegen Marie-Josée?«
Eine feige Erleichterung machte sich in mir breit. »Nein, ihr geht es ganz gut. Zumindest hat sich nichts verschlechtert. Nein, nein, wegen mir.«
Mein Mund wird plötzlich ganz trocken. Er hat sich weit weg von mir gesetzt und redet langsam, als bereue er es im voraus.
»Ich war bei der jährlichen Routineuntersuchung, und da hat man mir wie üblich ein Elektrokardiogramm gemacht. Aber offenbar war's diesmal nicht in Ordnung, weil der Doktor mich zum Facharzt geschickt hat. Du weißt schon, zu Dr. Morvan in Concarneau. Er hat eine Reihe von Untersuchungen gemacht… und angeblich soll auf der einen Seite eine Arterie verstopft sein, und die andere ist auch nicht viel besser. Du kennst mich ja, da hab' ich dem Doktor gleich gesagt: ›Doktor, ich will's wissen. Was bedeutet das für meine Zukunft?«
Und da hat er gemeint: ›Die Sache ist ernst, da müssen wir schweres Geschütz auffahren. Sie kommen gleich heute stationär ins Krankenhaus, dann kann ich weitere Untersuchungen vornehmen und eine Korono… graphie oder so ähnlich machen, und dann sehen wir weiter, was für eine Behandlung wir ansetzen!‹«
»Aber wann war denn das Ganze? Hatte man dir denn nie etwas gesagt vorher?«
»Das war… hm… ungefähr eine Woche, bevor ich hierhergekommen bin. Du kannst dir ja vorstellen, ein Krankenhausaufenthalt kam überhaupt nicht in Frage. Mit dem Dr. Morvan habe ich ganz offen gesprochen: ›Das ist unmöglich, Herr Doktor‹, hab' ich gesagt, ›ich kann heute nicht ins Krankenhaus.« ‒ ›Dann eben morgen?‹ hat er geantwortet. ‒ ›Morgen auch nicht.« ‒ › Was soll das heißen, morgen auch nicht? Ich wiederhole Ihnen, Sie sind in Gefahr!« ‒ ›Mag sein«, hab' ich geantwortet, ›aber ich hab' einen lebenswichtigen Termin.‹ ‒ ›In dem Fall, hat er geantwortet mit einem komischen Blick, ›in dem Fall warne ich Sie: Ich übernehme nicht die Verantwortung, Sie von hier weggehen zu lassen.‹ Da hab' ich aber rotgesehen. Das konnte ich mir nicht verkneifen, Arzt hin, Arzt her, ihm zu sagen, daß ich die Verantwortung für mich vorerst noch selber trage. Schließlich bin ich daran gewöhnt. ›Solange ich nicht eine Nummer in Ihrem verdammten Krankenhaus bin, gehört mein Leben immer noch mir.‹ Der war vielleicht platt. Das gefiel ihm nicht, daß ich da meine eigenen Vorstellungen hatte. ›Ich habe Sie jedenfalls gewarnt, Sie gehen Risiken ein!‹ ‒ ›Na und? Ich bin mein ganzes Leben Risiken eingegangen, ändern wird sich da nix. Außerdem bin ich gut versichert: Meine Familie wird keine Not leiden.‹«
Gauvain schwer krank? Meine erste Reaktion ist: Es muß ein Irrtum sein. Diese Hypothese habe ich zu keinem Zeitpunkt in Erwägung gezogen. Ertrunken, ja, aber herzleidend?… Ich wehre mich gegen die unannehmbare Tatsache. Ein so starker Mann, wiederhole ich mir albern.
»Das ist doch einfach unglaublich! Du hast überhaupt nichts gespürt? Hattest du denn manchmal Beschwerden, irgend etwas?«
»Ich habe nie sehr aufmerksam in mich hineingehört, weißt du. Das ist bei uns nicht üblich. Aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, doch, manchmal schon. Beim Bücken wurde mir hin und wieder schwindlig, ich bekam Ohrensausen, aber ich dachte, ich wär' müde. In meinem Alter und bei dem Beruf, dachte ich, wär' das ganz normal. Meine Freunde sind schließlich schon seit Jahren in Rente.«
»Aber warum hast du mir denn nichts gesagt bei der Ankunft? Wir hätten aufgepaßt, wir…«
»Das ist es ja! Ich bin doch nicht hierhergekommen, um aufzupassen… Dazu hab' ich demnächst mehr als genug Zeit. Ich wollte doch unseren Aufenthalt nicht stören mit diesem Quatsch. Wenigstens haben wir bis zuletzt so gelebt, wie es uns gefällt, und ich bin daran nicht gestorben, wie du siehst. Ich finde es übrigens schade. Manchmal denk' ich mir, wenn ich einfach so sterben könnte, bei dir… das wäre sicher nicht die schlechteste Art, diese Welt zu verlassen.«
»Wenn ich mir vorstelle, daß du das die ganze Zeit im Kopf hattest, diese Drohung ‒ und du hast nichts gesagt!«
»Das hatte ich doch gar nicht im Kopf. Dich hatte ich im Kopf, wie üblich. Und weißt du, dem Tod hab' ich öfter schon ins Gesicht gesehen.«
Als die Nachricht allmählich in mich eindringt, kann ich die Tränen nicht zurückhalten. »Oh, ich flehe dich an, George, weine nicht. Möglicherweise lohnt es sich gar nicht. Die Ärzte irren sich oft, weißt du. Und
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