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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut
Autoren: Benoite Groult
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Rechten saß; sie steckte in einem rosaroten Kleidchen, das ihr, der farblos Blonden, den Teint ruinierte, und eine strohtrockene Dauerwelle von der Sorte, die man hier in dieser Gegend besonders schätzte, schmückte ihr Haupt. Der Vorbau erinnerte an die Königin von England: ein zu einer Art Kissenrolle zusammengepferchter Monobusen. Mußte sich Gauvain fortan mit dieser wabbeligen Rundung begnügen? Allmählich war ich angetrunken genug, um ihn deswegen zu bemitleiden und mir zu wünschen, er möge seine Hand oder gar beide auf meinen Busen legen, und zwar am besten gleich heute. Aber wie sollte ich das erreichen? Die Taktiken, die mir vorschwebten, waren derart plump… daß es von ihm noch grobschlächtiger wäre, darauf nicht einzugehen. Nachträglich würde mir schon was einfallen, um ihm die edle Schönheit meiner Seele zu offenbaren. Doch wie alle unanständigen Gesten, die ich je in meinem Leben vorhatte, kam auch die, die Gauvain aus seiner irritierenden Gleichgültigkeit gerissen hätte, nicht zur Ausführung. Vermutlich war meine Hand besser erzogen als mein Kopf! Die Stunden vergingen, und Yvonnes Hochzeitsessen wurde zu einem jener nicht enden wollenden Festbankette, wo über Krümeln, Saucenflecken und umgestürzten Gläsern allmählich die Langeweile schwebt. Die Bäuerinnen öffneten ihre Gürtel und schlüpften unter dem Tisch aus den massiven Pumps, die sie auf dem Markt gekauft hatten und in denen sie sich seit dem Morgen schon abquälten. Die Männer standen Schlange an der Toilettentür und kamen beschwingt zurück, indem sie sich den Hosenschlitz zuknöpften. Die überdrehten Kinder spielten mit Indianergeheul Fangen und warfen dabei Stühle um, und der frischgebackene Ehemann lachte lauthals mit seinen Freunden, um deutlich zu machen, daß er die Situation im Griff hatte. Indessen lernte Yvonne, die Nase ein wenig gerötet und das Gesicht feucht glänzend unter dem Röschenkranz, die Einsamkeit der jungen Ehefrauen kennen.
    Nun wartete ich auf den Tanz: Er würde mich einen entscheidenden Schritt weiterbringen, daran zweifelte ich nicht. Aber wir hatten immer noch nicht das Essen ausgestanden; als die mehrstöckige Hochzeitstorte und der Champagner serviert wurden, kam es aufs neue in Schwung, und damit schlug die Stunde der Sänger. Eine Handvoll dickköpfiger Greise, deren Stimmen mehr vom Alkohol als von den Jahren zitterten, wollten uns keine einzige Strophe jener endlosen bretonischen Moritaten ersparen, in denen sich die Einsamkeit, die verratenen Schwüre und die Schiffbrüchigen ohne Begräbnis für die jungen Bräute zum verlockenden Zukunftsbild vereinen.
    Man war gerade bei der siebten Strophe von Recou-vran-an-ce angelangt ‒ einer Sängerin, die sich für Rina Ketty hielt, gelang es nicht, das Lied vollkommen zu Tode zu singen ‒, als Gauvain aufstand und, noch bevor der Applaus verebbte, das Bro Goz Va Zadou anstimmte. Seine schöne Baßstimme gab mir den Rest, viel durfte jetzt nicht mehr kommen. Mit rührender Selbstgefälligkeit ließ er sie bei den harten und zugleich herzzerreißenden Silben der bretonischen Sprache vibrieren. Es war eine Bardenstimme, sie erinnerte mich an Félix Leclerc, und sie paßte zu seiner Brust und zu den kraftvollen Muskeln, die sich auf fast unanständige Weise unter seinem engen Anzug abzeichneten ‒ der Schneider von Trégunc schnürte mit großer Beharrlichkeit solche Naturgewalt in taillierte Ballettanzüge, die den Hintern einzwängten und die von den athletischen Schenkeln nahezu gesprengt wurden.
    Marie-Josée gab selbst das Zeichen zu der allgemeinen Küsserei, die nach jedem Lied fällig war, gemäß dem rituellen Couplet:
    Daß die Jungen die Mädels küssen, Das will der Pfarrer nicht,
Daß die Mädels die Jungen küssen, Verbietet er nicht…
    Nun, auch ich würde ihn küssen, den Lozerech-Sproß, und nicht eben sanft, und ich würde es als letzte tun, um nicht in der blökenden Herde unterzugehen, die schon Schlange stand. Er, der glücklich über seinen Erfolg war, lachte, und sein sonores Lachen entblößte jenen schräg abgebrochenen Schneidezahn, der so erfreulich wirkte wie beim Piraten die schwarze Augenbinde: Er machte ihn zum Haudegen, und ich, ich würde mich nur zu ihm hinüberneigen müssen, denn er saß ja neben mir, um meine Lippen ganz schnell, wie aus Versehen, auf diesen Schneidezahn zu drücken. Er warf mir einen scharfen Blick zu, und ich sah, daß er die Insel nicht vergessen hatte.
    Noch mußte man den
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