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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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sich
schäbig vor, denn ihre Arbeit nimmt sie bis in die späten Abendstunden in
Anspruch.) Das Kaminfeuer flackerte, draußen rieselte leise der Schnee, die
Bose-Anlage produzierte Christmas-Bar-Jazz, Werners Stirn lag in angestrengten
Falten, als das Telefon schellte.
    »Ich hab Stoff für deinen Krimi«, sagte Hadi. »Eine Menge Stoff. Du
kannst den Plot selbst mitgestalten. Interesse?«
    Werner schluckte und nahm noch einen Schluck. »I bin no net so
weit, mein’ Krimi ozumpacka«, sagte er in seinem sanften Samerberglerisch.
    Er befand sich demnach noch nicht in der Lage, seinen geplanten
Krimi anzupacken.
    »Ich hab noch zu viele Mandanten zu versorgen. Das mit dem Krimi ist
gut und schön. Aber erst nach der Pensionierung. Außerdem muss ich Mama im
Seniorenstift noch versorgen. Sie wird übermorgen vierundneunzig, die Mama.«
    »Es handelt sich um keinen geschriebenen Krimi«, widersprach Hadi
geduldig. Mit Widerspruch bei Anwälten musste man vorsichtig umgehen. Seine
Stimme klang wie gepudertes Katzenfutter. »Es ist ein gelebter Krimi. Für einen
guten Zweck.«
    Bei dem Ausdruck »guter Zweck« sprangen in Werners Herz sämtliche
Gutklappen zum Benefiz-Vorhof auf. Er war Mitglied im Lions Club. Einer
Vereinigung also, die sich das Wohlergehen der Menschheit zum Ziel gesetzt
hatte. Du brauchst nur eine Notlage anzutippen, ein Erdbeben etwa, eine
Erblindung oder ein Frauenhaus, schon fliegen sie darauf wie Bienen und
Zitronenfalter auf Krokusse im ersten Frühlingsrausch.
    »Wie meinst du das?«, fragte Werner und nahm noch einen Schluck.
»Was ist ein gelebter Krimi? Und welcher gute Zweck? Hä?« Er nahm einen
weiteren Schluck und noch einen weiteren, bevor er die entscheidende Frage
stellte: »Gibt es auch eine Leiche in deinem Krimi?«
    Artur Josef mit abflauender Trauermiene. Hadi Yohl mit dem Stallgeruch
des Pioniergeists und des Aufbruchs. Während Werner Stuffer sich wie beim
Werbevorspann im Kino fühlte. Gespannt auf den kommenden Film, von dem er keine
Vorschau kannte.
    Hadi hatte die beiden zusammengeführt. Artur hatte vom Rechtsanwalt
Stuffer beiläufig gehört oder gelesen, war ihm aber nie begegnet. Werner
dagegen hatte bisher von Arturs Existenz keinen blassen Schimmer gehabt.
    Die drei saßen an einem Ecktisch im holzbeladenen Barraum vom
Voglwirt. Hadi trug oben einen Schladminger Janker und unten Jeans, denn er
schrieb oberbayerische Regionalkrimis, und wer das tut, muss sich wenigstens
andeutungsweise so kleiden, dass man meinen könnte, er meinte es ehrlich. Artur
hatte noch dasselbe Gewand an wie bei Bernadettes Beerdigung, nämlich eine braune
Lodenjoppe oder Lodenstrickjoppe oder Stricklodenjoppe und bestickte
Lederkniebundhosen, die Bernadette ihm letzte Weihnachten beim Dirndl-Gachinger
gekauft hatte. Den grünen Filzhut mit Federschmuck hatte er weggelassen. Und
Werner war flugs aus seiner Kanzlei in der Rosenheimer Prinzregentenstraße
herbeigeeilt, trug also noch seinen Dienstanzug, ein graues Sakko mit
Fischgrätmuster und dunkle Hose.
    Der Barraum war an diesem nebligen Mittag nur halb gefüllt. Ein
kalter Dauerregen trommelte gegen die Fensterscheiben. An der Zirbelbar standen
die Verkäufer vom nahe gelegenen Möbelgiganten und schütteten sich ihr
mittägliches Weißbier hinein. In der anderen Ecke saß der Lenz vor seiner
Zither und zitherte sein Alpenland-Repertoire herunter. Eine Trachtenkapelle
draußen in der Halle spielte »Hoch soll’n sie leben«, die dicke Tuba und eine
Gästegruppe stimmten mit ein. Die Siggi mit ihrer weißen Kaffeehausschürze
rannte rum und nahm Bestellungen auf. Draußen vor der Tür standen die
Ausgestoßenen und qualmten mit gequältem Gesichtsausdruck unlustig vor sich
hin. Ihre Stimmung passte zum Wetter.
    Es war der Freitag vor dem zweiten Advent.
    »Übernächste Woche!«, befand Hadi nach kurzer Diskussion. »Dann
schlagen wir zu. Artur braucht das Geld schnell. Wenn wir Glück haben, können
wir ihm gleich beim ersten Mal richtig gut helfen. Notfalls müssen wir danach
noch mal ran.«
    Dann erläuterte er seinen Plan.
    »Ihr seht, die Grobplanung hab ich schon. Bis übernächste Woche ist
noch genügend Zeit zur Vorbereitung im Detail. Jeder besinnt sich auf seine
Stärken.«
    Der Schriftsteller war überrascht. Werner war sofort im Boot
gewesen, ja mehr noch. Er war hochgesprungen (nicht über seine ein Meter
fünfundsiebzig) und hatte in seinem harten Samerberglerisch gerufen: »Ich seh
schon, ich schreib meinen Krimi noch vor der
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