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Sagen von der Alhambra (German Edition)

Sagen von der Alhambra (German Edition)

Titel: Sagen von der Alhambra (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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damals der Hof residirte.
    Als einige Tage darauf die Königin mit ihren Staatsdamen in jenen prächtigen Gärten lustwandelte, welche mit ihren Gängen, Terrassen und Brunnen den Ruhm von Versailles auszustechen bestimmt waren, wurde die weltberühmte Künstlerin vor sie geführt. Die königliche Elisabeth blickte erstaunt auf das jugendliche, anspruchslose Aeußere des kleinen Wesens, welches der Welt den Kopf verrückte. Sie war in ihrer malerischen andalusischen Tracht, hielt ihre Silberlaute in der Hand und stand mit bescheiden gesenkten Augen, aber in einer Einfachheit und Frische der Schönheit da, welche in ihr stets noch ›die Rose der Alhambra‹; ankündigte.
    Wie gewöhnlich war sie von der immer wachsamen Fredegonda begleitet, welche der wißbegierigen Königin die ganze Geschichte ihrer Abstammung und Herkunft erzählte. Wenn die hohe Elisabeth von Jacinta’s Aeußerem freundlich angesprochen worden war, so freute sie sich noch mehr, als sie erfuhr, daß sie aus einem verdienten, obgleich herabgekommenen Geschlechte stammte, und daß ihr Vater im Dienste der Krone als braver Krieger gefallen war. »Wenn dein Talent deinem Rufe gleich kommt«, sagte sie, »und du diesen bösen Geist bannen kannst, der in deinem Könige wohnt, soll fortan dein Glück meine Sorge sein, und Ehren und Reichthum werden dich erwarten.«
    Ungeduldig, ihre Geschicklichkeit zu erproben, begab sie sich alsbald in das Gemach ihres launenvollen Gemahls.
    Durch Reihen von Wachen und Schaaren von Höflingen folgte Jacinta mit gesenktem Auge. Sie kamen endlich in ein großes Gemach, das schwarz ausgelegt war. Die Fenster waren geschlossen, um kein Taglicht eindringen zu lassen; eine Anzahl gelber Wachskerzen auf silbernen Leuchtern verbreiteten ein düsteres Licht und zeigten schwach die Gestalten von Dienern in Trauerkleidern und von Höflingen, die mit geräuschlosem Schritt und verzweifeltem Gesichte umher schlichen. In der Mitte lag auf einem Paradebett, die Hände auf der Brust gefaltet und bis zur Spitze der Nase verhüllt, der gern begraben-sein-wollende Monarch ausgestreckt.
    Die Königin trat schweigend in das Gemach, zeigte auf einen Schemel in einem dunkeln Winkel und winkte Jacinta, sich niederzulassen und die Wirkung ihres Spiels zu versuchen.
    Anfangs rührte sie die Laute mit bebender Hand, dann aber faßte sie Muth, und erregt während des Spiels, ließ sie eine so himmlische Musik hören, daß alle Anwesenden vor Staunen und Entzücken außer sich waren. Der Monarch aber, der sich bereits in der Welt der Geister glaubte, dachte die Musik der Engel oder der Sphären zu hören. Allmählich wechselte der Vortrag, und die Stimme der Künstlerin begleitete das Instrument. Sie sang eine der alten Balladen von dem ehemaligen Ruhm der Alhambra und den Thaten der Mauren. Ihre ganze Seele ging in den Vortrag ein; denn mit den Erinnerungen an die Alhambra war die Geschichte ihrer Liebe verwebt. Das Todtengemach hallte von dem belebenden Gesange wieder, – er fand den Weg in das düstere Herz des Königs. Er hob sein Haupt und schaute rund um; er richtete sich in seinem Bette auf, sein Auge begann zu glänzen, – endlich sprang er auf den Boden und rief nach Schild und Schwert.
    Der Triumph der Musik, oder vielmehr der bezauberten Laute, war vollkommen; der Geist der Schwermuth war verscheucht, und gewissermaßen ein Todter in das Leben zurückgerufen worden. Die Fenster des Gemaches wurden geöffnet; der strahlende Glanz spanischen Sonnenscheins drang in die gewesene Todtenkammer; alle Augen suchten die holde Zauberin; aber die Laute war aus ihrer Hand gefallen, sie selbst war zu Boden gesunken, und im nächsten Augenblick drückte sie Ruyz de Alarcon an seine Brust.
    Die Hochzeit des glücklichen Paares wurde bald darauf mit großem Glanze gefeiert; doch still – ich höre den Leser fragen, wie Ruyz de Alarcon sein langes Schweigen entschuldigte? O, daran war allein der Widerstand eines stolzen, eigensinnigen, alten Vaters Schuld; außerdem aber kommen junge Leute, die einander wirklich lieb haben, bald zu einem freundlichen Einverständnis; und vergessen beim Wiedersehen alle frühern Beschwerden.
    Aber wie kam es, daß der stolze, eigensinnige Vater in die Heirath willigte?
    Nun, ein oder zwei Worte der Königin verscheuchten bald alle seine Bedenklichkeiten, besonders da es Würden und Belohnungen auf den blühenden Liebling der Königin regnete. Ueberdieß besaß, wie Ihr wißt, Jacinta’s Laute eine Zaubermacht,
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