Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
»Dauert nur eine Sekunde, meine Liebe«, und folgte ihm.
    Er warf einen Blick durch den Flur und verschränkte die Arme über der Brust. »Worum geht es, Doktor?«
    Aus nächster Nähe sah er so sauber rasiert aus wie ein Kinderpopo. Er roch nach Bayrum und frisch gewaschener Wäsche.
    Ich begann: »Melissa erwähnte, was ihrer Mutter zugestoßen ist, und einen Mann namens Mikoksi.«
    Er zuckte zusammen. »Wirklich, Sir, es steht mir nicht zu…«
    »Es ist wichtig, Mr. Dutchy, es hat offenbar mit ihren Ängsten zu tun.«
    »Es ist am besten, wenn ihre Mutter…«
    »Stimmt, das Problem ist nur, daß ich ihre Mutter bereits mehrfach um Antwort gebeten, aber keine erhalten habe. Normalerweise würde ich ein Kind ohne Mitwirkung der Eltern gar nicht annehmen. Aber Melissa braucht offensichtlich Hilfe. Ich kann ihr diese Hilfe geben, aber ich muß Bescheid wissen.«
    Er nagte so heftig auf seiner Unterlippe herum, daß ich befürchtete, er könnte sie durchbeißen. Melissa aß ihren Keks und beobachtete uns aus der Ferne.
    Er sagte: »Was auch immer geschehen ist, es war vor der Geburt des Kindes.«
    »Chronologisch gesehen vielleicht, aber nicht was die psychologische Seite betrifft.«
    Er starrte mich einen langen Augenblick an. In seinem rechten Augenwinkel deutete sich eine kleine Träne an, nicht größer als ein Brillant auf einem billigen Verlobungsring. Er zwinkerte. »Das ist wirklich sehr unangenehm. Ich bin ein Angestellter…«
    Ich sagte: »Na, gut. Ich möchte Sie nicht in eine peinliche Lage bringen, aber ich bitte Sie, Melissas Mutter auszurichten, daß ich mit ihr so bald wie möglich reden möchte.«
    Melissa scharrte mit den Füßen, der Keks war verzehrt. Dutchy warf ihr einen ernsten, aber seltsam zärtlichen Blick zu.
    Ich sagte: »Ich möchte trotzdem, daß Melissa morgen um fünf Uhr zu mir kommt.«
    Er nickte, kam noch einen Schritt näher auf mich zu, so daß wir einander beinahe berührten, und flüsterte mir ins Ohr: »Sie nennt ihn Mikoksi, aber der Name des verdammten Schurken war McCloskey, Joel McCloskey.« Er senkte den Kopf und schob ihn vor wie eine Schildkröte, die unter dem Panzer hervorlugt. In dieser Haltung verharrte er und schien zu erwarten, daß er mich nun aufgeklärt hätte.
    Ich sagte: »Nie gehört.«
    Er zog den Kopf zurück. »Waren Sie vor zehn Jahren in Los Angeles, Doktor?«
    Ich nickte.
    »Es hat in den Zeitungen gestanden.«
    »Ich habe damals noch studiert und mich auf meine Ausbildung konzentriert.«
    »Im März 1969«, sagte er, »am dritten März.« Ein Ausdruck von Schmerz zog sich über sein Gesicht. »Das ist -, das ist alles, was ich Ihnen jetzt im Augenblick sagen kann, Doktor, mehr ein andermal vielleicht.«
    »Ja, gut«, räumte ich ein, »wir sehen uns dann morgen wieder.«
    »Um fünf Uhr, nicht wahr?« Er atmete auf und richtete sich auf, zupfte an seinen Rockaufschlägen und räusperte sich. »Ansonsten nehme ich an, es ist heute alles nach Plan verlaufen.«
    »Es ist alles sehr gut gegangen.«
    Melissa kam auf uns zu. Die weiße Schleife ihres Satingürtels hatte sich gelöst, so daß die Schlinge auf dem Boden schleifte. Dutchy eilte zu ihr, um sie wieder festzubinden. Dann wischte er ihr die Krümel vom Kleid, faßte sie bei den Schultern und ermahnte sie, sich, wie es sich für eine junge Dame gehört, geradezuhalten.
    Sie lächelte zu ihm auf.
    Als sie das Gebäude verließen, hielten sie sich einander an den Händen.
    Kurz darauf hatte ich den nächsten Patienten, und es gelang mir, für eine Dreiviertelstunde das Cello und die Pikkoloflöte aus meinen Gedanken zu verbannen. Um sieben Uhr verließ ich die Praxis und fuhr noch schnell zur Beverly-Hills-Bibliothek. Der Lesesaal war voller Rentner, die die letzten Kurse ihrer Aktien nachsahen, und Teenager, die ihre Hausaufgaben erledigten oder nur so taten. Eine Viertelstunde später saß ich schon mit einer Spule der ›Los Angeles Times‹ vom März ’69 am Mikrofilmbetrachter. Der 4. März rollte ins Blickfeld. Was ich suchte, stand links oben:
    Schauspielerin Opfer eines Säureattentats (Hollywood)
    Eine ruhige Wohngegend in den Hügeln über dem Hollywood Boulevard war am frühen Morgen Schauplatz eines grausamen Attentats auf ein ehemaliges Fotomodell, das gegenwärtig bei den Apex Motion Picture Studios unter Vertrag steht. In der entsetzten Nachbarschaft fragt man sich nach den Beweggründen des Attentats.
    Regina Marie Paddock, 23, 2103 Beachwood Drive, Appartement 2, wurde frühmorgens
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher