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Sacramentum

Sacramentum

Titel: Sacramentum
Autoren: Simon Toyne
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der Kopf war ihm fast bis auf die Brust gefallen. Eine Zigarette klebte an seinen fetten Lippen, und fast ein Zoll Asche baumelte daran. Auf dem Bildschirm war eine Mail von Pentangeli zu sehen.
    Sobald die Wall Street morgen öffnet, werden wir unsere Kredite zurückziehen. Sollten Sie Ihre Schulden nicht begleichen können, hier ist ein Vorabdruck des Wall Street Journal von morgen.
    Und unter dem Text war das Faksimile der Titelseite mit der Schlagzeile zu sehen:
    K IRCHENBANKROTT
    Trotz des ständigen Klingelns des Telefons hörte Clementi, wie sich Schritte näherten. Sie eilten durch den Marmorflur auf ihn zu; dem Geräusch nach zu urteilen, waren es mehrere Personen. Die erste erreichte Clementis Tür und hämmerte dagegen. Clementi zuckte unwillkürlich zusammen, und die Asche fiel von seiner Zigarette und auf sein Kardinalsgewand. Die Klinke wurde heruntergedrückt, doch die Tür blieb geschlossen. Wenigstens war er noch klar genug im Kopf gewesen abzuschließen. Nicht dass sie das lang aufhalten würde. Die Tür diente dem Schutz der Privatsphäre; sie sollte keiner Belagerung standhalten. Nicht mehr lange, und sie würden durchkommen.
    Clementi streckte die Hand aus und löschte die Mail, als könne er so auch die Nachricht auslöschen. Dann wuchtete er sich aus dem Stuhl und ging zum Fenster.
    Auf dem Petersplatz versammelten sich bereits die ersten Menschen und schauten zum Apostolischen Palast hinauf. Doch es waren keine Gläubigen, die Seine Heiligkeit sehen wollten, sondern Nachrichtenteams, die ihr Equipment aufbauten, um für die bahnbrechende Story bereit zu sein. Und sie wollten nicht den Papst sehen, sondern ihn .
    Hinter ihm wurde weiter an der Tür gerüttelt, und das Klingeln dauerte ebenfalls an, doch Clementi rauchte seine Zigarette und starrte aus dem Fenster hinaus, als wäre es ein ganz normaler Tag. Trotz allem, was geschehen war, glaubte er noch immer, dass es ein guter Plan gewesen war. Wäre öffentlich geworden, dass man den Ort des Garten Edens entdeckt hatte, dann hätte die Kirche nur einen weiteren Wallfahrtsort in einem Land bekommen, das einer anderen Religion anhing. Was hätte ihnen das schon genützt? Öl war jedoch etwas anderes. Es war flüssiges Geld, das in die Adern der Kirche hätte strömen können, und alles hätte sich verändert. Es hätte Gottes Geschenk an seine Diener auf Erden sein können, ein modernes Wunder – ein Mythos, der sich in Geld verwandelt. Doch aus irgendeinem Grund sollte es nicht sein.
    Clementi nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette. Dann legte er sie vorsichtig in dem Marmoraschenbecher ab und ließ sie bis zum Filter herunterbrennen. Anschließend kletterte er auf die Fensterbank, schaute zu den Reportern hinunter und hörte aufgeregte Rufe, als sie ihn entdeckten. Er dachte an den Mönch, der vor über zwei Wochen auf den Gipfel der Zitadelle geklettert war. Damals hatte alles begonnen. Clementi breitete die Arme aus, genau wie der Mönch es getan hatte, und stand so da, den Kopf gesenkt, bis er hinter sich die Tür splittern hörte.
    Nur Gott wird verstehen , dachte er, als er nach vorne kippte und auf den Platz vier Stockwerke tiefer stürzte.
    Und nur Gott kann vergeben.

E PILOG
    Die Sonne ging über Trahpah auf und warf die tiefen, dunklen Schatten der Zitadelle über die Tische und Stühle, die gerade vor den Cafés und Restaurants am Wall aufgestellt wurden. Die Touristen waren noch nicht da, doch die Glocke der alten Kirche läutete, um anzuzeigen, dass gleich die Fallgatter hochgezogen wurden, um Pilger und Besucher in die Altstadt zu lassen.
    Yunus trug den letzten Klappstuhl auf die Pflastersteine hinaus und kämpfte gegen die Versuchung an, sich einfach auf ihn fallen zu lassen. Er schwitzte trotz der kalten Morgenluft, und ihm taten alle Knochen weh. Yunus hatte jetzt schon seit über zwei Monaten zwei Jobs, damit er sein Studium an der Universität von Gaziantep bezahlen konnte, das im September anfangen würde. Er hatte sich ausgerechnet, dass ihm eine ordentliche Sommersaison genug einbringen würde, um fast ein Jahr davon leben zu können, vorausgesetzt natürlich, es gab keine Erdbeben oder so was mehr, das die Besucher von der Altstadt ferngehalten hätte. Dank der letzten Sperre hatte er jedoch wenigstens etwas Schlaf nachholen können; ganz so schlimm war es also gar nicht gewesen.
    Yunus unterdrückte ein Gähnen und ging wieder ins Café hinein, wo Tante Elmas gerade Kardamom und Kaffeebohnen in die Mühle
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