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Sacramentum

Sacramentum

Titel: Sacramentum
Autoren: Simon Toyne
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vorbei –, doch Gabriel verdiente es zu leben.
    Liv rollte sich von ihm herunter und kroch über den Beton, um den Feuersturm allein auf sich zu ziehen. Sie rappelte sich auf, drehte sich zu der Bestie um und taumelte instinktiv nach hinten. Schließlich erreichte ihr Fuß den Rand des Betons, und als sie auf die trockene Wüste trat, wurde alles fließend und schier unglaublich langsam.
    Kein Geräusch war mehr zu hören.
    Außer einem.
    Dem Flüstern.
    Und es wurde immer lauter in ihr.
    Das Ding, das Liv nun schon so lange in sich trug, entfaltete sich und wuchs. Dabei wurde es immer schwerer und zog sie auf die Erde hinunter. Als Liv sie berührte, fühlte die Erde sich lebendig an. Sie war jetzt auf den Knien und sackte unter dem kolossalen Gewicht immer mehr zusammen. Das Flüstern war überall um sie herum und rauschte wie ein Sturm durch sie hindurch. Wo auch immer sie den Boden berührte, da fühlte sie, wie es floss und in die Erde sickerte, und es teilte seine unendliche Erleichterung mit ihr, endlich wieder frei zu sein. Liv fiel nach vorne und breitete sich aus, sodass sie mit jedem Teil ihres Körpers die Erde berührte. Die Wirkung setzte sofort ein. Es war, als würde ein Damm in ihr bersten. Sie fühlte, wie es aus ihr und in die Erde floss. Und als es herausfloss, da hörte sie noch etwas anderes: ein tiefes Grollen, das ihm entgegenstieg. Dann begann die Erde zu beben.
    Zuerst glaubte Liv, es sei das Ungeheuer, das mit seinen Schritten die Erde erzittern ließ. Sie drehte sich zu dem Biest um, das über ihr aufragte und aus dessen Maul noch immer Flammen strömten. Da war ein Schild an seinem riesigen Hals, ein Logo, das einen Ölbohrturm auf roter Erde zeigte. Für Livs entsetzte Augen sah es wie ein auf dem Kopf stehendes Tau aus. Eine Alarmsirene ertönte oben auf der Bohrplattform, und ihr Kreischen machte Livs albtraumhafte Vision komplett.
    Liv wartete auf die Flammen. Sie wusste, dass sie als Nächstes kommen würden, während unter ihr die Erde bebte.
    Dann stieg ein gequältes Stöhnen aus dem Inneren der Bestie nach oben. Es klang, als würde Metall mit Gewalt verbogen. Während das Geräusch immer lauter wurde, geriet das Feuer ins Flackern und verlosch schließlich ganz, und eine Dampfwolke stieg zischend aus dem Ventil empor, wo gerade noch Flammen getobt hatten. Dann war auch der Dampf verschwunden, verschluckt von Wasser, das unter solchem Druck aus der Erde schoss, dass es wie Regen auf die Anlage niederging.
    In den Tank, wo man bereits einen großen schwarzen Ölsee gesammelt hatte, begann es zu brodeln, und die stinkenden, fauligen Überreste urzeitlicher Wälder verwandelten sich in etwas Reines. Selbst die Rotoren des Hubschraubers kamen stotternd zum Stehen, als sich der Treibstoff in den Tanks in Wasser verwandelte.
    Liv blickte zu dem Regen hinauf, der sich aus dem Maul der Bestie ergoss, und erinnerte sich an die Prophezeiung:
    Der Schlüssel muss der Sternenkarte heimfolgen
Um dort innerhalb einer vollen Mondphase das
Drachenfeuer zu löschen
    Sie hatte es geschafft.
    So schnell, wie es sie überwältigt hatte, so schnell verschwand das Flüstern auch wieder, versickerte in der Erde und kehrte in die Heimat zurück, die es einst gekannt hatte … Und Liv fiel mit ihm in den Staub der Wüste, und alles wurde schwarz.

111
    In all der Verwirrung und dem Chaos verloren die Wachmänner die Gefangenen aus den Augen. Einige starrten den Bohrturm hinauf und schauten zu, wie ihr Profit im wahrsten Sinne des Wortes davongespült wurde. Andere wiederum blickten in die Wüste zu der näher kommenden Staubwolke, die von den verbliebenen Reitern aufgewirbelt worden war, die gegen Hydes von Mechanik unterstützten Streitkräfte gewonnen hatten, nachdem deren Treibstoff sich in Wasser verwandelt hatte.
    Gabriel kroch zu Liv und prüfte den Puls an ihrem Hals. Er war sehr schwach. Gabriel hob sie hoch und lief zum nächsten Gebäude in der Hoffnung, dass es hier irgendwo eine Krankenstation gab.
*
    Hyde bemerkte die Bewegung aus dem Augenwinkel heraus. Er stand noch immer unter Schock und versuchte zu verarbeiten, was gerade geschehen war. Im einen Moment hatte er noch von einem Leben als reicher Mann geträumt, und im nächsten stand er im Regen, genauso arm wie zuvor. Er verstand es nicht, aber es musste etwas mit dem Mann und der Frau zu tun haben, die gerade vor ihm wegliefen. Und er hasste sie dafür.
    Hyde ging zum Helikopter, holte seine M4 hinter dem Sitz hervor und zielte auf den
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