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Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde

Titel: Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde
Autoren: Berte Bratt
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schwieg ich, denn jetzt ahnte ich, was kommen würde.
    Und es kam: „Also, Sonja, ich brauche einen jungen, gesunden, reisetrainierten Menschen - weiblichen Geschlechts! - , mit dem ich mich gut verstehe, eine junge Frau, die etwas Sprachen kann, die willig wäre, auf mich aufzupassen, meinen Koffer zu packen, mir ab und zu ein Pillchen oder Pulverchen zu geben, wenn ein Wehwehchen sich meldet - und vor allem: Eine, die eine solche Tiernärrin ist wie ich selbst, eine, die Museen links liegen läßt und auf Stadtrundfahrten verzichtet, wenn die Möglichkeit besteht, ein paar seltene Viecher zu sehen. Und eine, die ein paar Wochen Zeit hat. Ich werde voraussichtlich in drei Wochen fahren, werde weitere drei Wochen unterwegs und Anfang Dezember wieder hier sein, also ungefähr gleichzeitig mit Heiko.“
    Ich antwortete nicht. Meine Augen waren unentwegt auf Lady
    Robinson gerichtet. Sie hatte noch nicht gesagt, wo die Reise hingehen sollte.
    Sie legte ihre Hand auf die meine. Ihre klugen, lieben Augen waren schöner denn je. Ihre Stimme war warm und sanft: „Kommen Sie mit, Sonja? In drei Wochen? Kommen Sie mit - zu den Koalas -und zu Heiko?“
    Es gibt Augenblicke und Situationen, die man gar nicht beschreiben kann. Augenblicke, die so atemberaubend schön sind, daß einem die Worte fehlen.
    Ich hatte zwei solche Augenblicke, solche Sternstunden erlebt.
    Fünf Jahre früher hatte ich mit Senta bis tief in die Nacht vor dem Fernseher gesessen und die Ziehung in der deutschen Fernsehlotterie gesehen. Es war in Kiel, im Hause von Sentas damaliger Brötchengeberin, Frau von Waldenburg. Wir hatten bis zum letzten Gewinn ausgehalten. Lauter fremde Namen wurden vorgelesen, und dabei hatte ich mir jedesmal die Daumen blau und grün gedrückt, wenn es um eine Ostafrikareise ging. Und dann, bei der allerletzten Verlosung - da wurde wieder die Reise geschildert, da wurde ein Bild von einer Löwin mit spielenden Jungen gezeigt - und nie, nie im Leben vergesse ich die Stimme der Ansagerin: „Und dorthin fährt
    - Entschuldigung, dorthin fahren demnächst Sonja und Senta Rywig aus Kiel.“
    Die zweite Sternstunde hatte ich damals in Entebbe erlebt. Heiko und ich hatten uns als Reiseleiter für eine deutsche Sammelreise betätigt. Da hatten wir Lady Robinson kennengelernt. Am Ende der Reise hatten wir dagesessen, sie hatte uns von der Mary-Green-Stiftung erzählt, von der Forschungsarbeit, von den jungen Wissenschaftlern, die sehr sorgfältig ausgewählt wurden. Und ich weiß noch heute genau, wie ihre Stimme geklungen hatte, als sie sagte: „Wollen Sie auf die nächste Expedition mit, Heiko? Es geht nach Kenya, Studienobjekt Kleinnager und Schleichkatzen.“
    Bei diesen beiden Gelegenheiten hatte ich dicke Freudentränen geheult. Damals in Entebbe hatte Heiko ganz einfach Lady Robinson umarmt.
    Jetzt tat ich beides. Jetzt, in dieser dritten Sternstunde meines Lebens.

Tante Helene
    Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis ich imstande war, klar zu denken und praktisch zu planen. Lady Robinson gab mir Zeit. Liebevoll und lächelnd beantwortete sie mein fragendes Gestammel. Allmählich kam ich wieder zu mir, meine Worte kamen mehr in Zusammenhang, und zuletzt war ich fähig, Lady Robinson weiter zuzuhören. Sie holte den Reiseprospekt aus ihrer Tasche, dann kramte sie Heikos ganzen Expeditionsplan hervor, und wir schoben die Kaffeetassen beiseite und entdeckten erst nachher, daß die Sahnekanne umgekippt war und ihren Inhalt auf den Teppich ergossen hatte, zur großen Freude der beiden Katzen.
    „Also, Start am sechzehnten November, Zwischenlandung Frankfurt, Bahrein.“
    „Was ist das?“ fragte ich.
    „Aber Sonja, haben Sie denn keinen Geographieunterricht in der Schule gehabt?“
    „Doch, aber vielleicht war Senta an der Reihe, die Hausaufgaben zu machen, als wir etwas über diese - diese - wie hieß es nun gleich
    - hatten!“
    „Bahrein. Eine Insel im Persischen Golf. Ja, und dann weiter nach Hongkong.“
    „Was? Werden wir mit Stäbchen essen und in Rikschas fahren? Nach Asien fliegen?“
    „Ja, so wollen es die Reisearrangeure. Dann geht es nach zwei Tagen nach Neuguinea.“
    „Zu den Menschenfressern!“
    „Haben Sie keine Angst, Sonja. Ihre dünnen Knochen geben doch keine gute Suppe ab. Wir stecken den Menschenfressern lieber einen Brühwürfel in die Hand, davon haben sie mehr.“
    „Aber wann kommen wir zu den Koalas?“
    „Gleich, gleich, nur ein bißchen Geduld.“ Lady Robinsons Zeigefinger glitt über
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