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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker
Autoren: B Akunin
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in der Tat hatte er in der »Woche« eine verdächtige Reklame angestrichen, in der die Vorzüge eines »selbstfahrenden Wunder-Velozipeds« mit einem mythischen »inneren Verbrennungsmotor« angepriesen wurden.
    »Warum denn nicht, Erast Petrowitsch«, entgegnete er würdevoll und suchte nach etwas Beeindruckendem. »Da, im gestrigen Polizeibericht steht eine interessante Meldung: In Moskau gehen seltsame Gerüchte um, wonach ein schwarzer Zaubervogel zu dem Wirklichen Staatsrat Jeropkin geflogen sei, ihm einen goldenen Ring übergeben und mit menschlicher Stimme zu ihm gesprochen habe. Dabei wird ein Gottesnarr erwähnt, ein wundersamer Knabe namens Paissi oder Pafnuti. Daneben steht eine Randbemerkung des Polizeichefs: ›Das Konsistorium soll die Geistlichen anweisen, in den Kirchengemeinden mit den Gläubigen über die Schädlichkeit des Aberglaubens zu sprechen.‹«
    »Zu Jeropkin? Ein schwarzer V-Vogel?« fragte der Chef verwundert. »Zu Samson Charitonowitsch Jeropkin? Sonderbar, sehr sonderbar. Ist es ein hartnäckiges Gerücht?«
    »Ja. Hier steht, daß alle den Smolensker Markt erwähnen.«
    »Jeropkin ist ein steinreicher Mann und sehr abergläubisch«, sagte Fandorin nachdenklich. »Ich würde hier ein Gaunerstück vermuten, aber Jeropkin hat einen solchen Ruf, daß in Moskau kein Mensch wagen würde, sich mit ihm anzulegen. Er ist ein Verbrecher, ein H-Halunke, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Ich habe ihn schon lange auf dem Kieker, aber leider hat Fürst Dolgorukoi mir verboten, ihn anzurühren. Er meint, Halunken gibt es viele, die kann man nicht alle einsperren, doch dieser stiftet freigebig für die Stadtkasse und für wohltätige Zwecke. Also mit menschlicher Stimme hat der Vogel zu ihm gesprochen? Und einen Goldring hatte er im Schnabel? Lassen Sie mal sehen.«
    Er nahm Anissi den »Polizeibericht über die Vorkommnisse in der Stadt« aus der Hand und las die angestrichene Stelle:
    »Hm. ›Alle Gerüchte erwähnen einen gottseligen Knaben mit reinem Gesicht, goldblondem Haar und einem Hemd so weiß wie Schnee.‹ Wo hätte man je gesehen, daß ein Gottesnarr ein reines Gesicht hat und ein Hemd so weiß wie Sch-Schnee? Und sehen Sie mal, hier heißt es weiter: ›Es werden erstaunlich ausführliche Details angeführt, was sonst bei müßigen Gerüchten nicht der Fall ist.‹ Also, Tulpow, holen Sie sich von Swertschinski ein paar Schnüffler und organisieren Sie eine geheime Überwachung von Jeropkins Haus.Nennen Sie keine Gründe, sagen Sie, es wäre eine Anordnung Seiner Durchlaucht. Pikbube oder nicht, hier ist eine pfiffige Intrige zu vermuten. Schauen wir uns mal die heiligen Wunder an.«
    Den letzten Satz hatte der Hofrat eindeutig in der Tonart Dur gesprochen. Die Nachricht von dem schwarzen Zaubervogel hatte wundertätig auf ihn gewirkt. Er drückte die Zigarre aus und streckte sich forsch, und als Masa mit dem Kaffeetablett hereinkam, sagte er: »Den Kaffee kannst du Tulpow servieren. Wir beide haben uns schon ziemlich lange nicht im Schwertkampf g-geübt.«
    Der Japaner erstrahlte, krachte das Tablett auf den Tisch, so daß schwarze Spritzer hochschossen, und raste wie ein geölter Blitz aus dem Arbeitszimmer.
    Fünf Minuten später stand Anissi am Fenster und beobachtete schaudernd, wie im Hof zwei nackte Gestalten, nur mit Lendenschurz bekleidet, die Knie leicht eingeknickt, den Schnee zertrampelten. Der Hofrat war schlank und muskulös, Masa dagegen rund wie ein Faß, doch ohne ein Gramm Fett. Die beiden Kämpfer hielten je einen kräftigen Bambusknüppel mit einer runden Parierscheibe am Griff. Mit solch einem Ding konnte man nicht töten, aber verletzen durchaus.
    Masa streckte die Hände mit senkrecht gehaltenem »Schwert« nach vorn, stieß einen schrillen Schrei aus und sprang vor. Holz knallte gegen Holz, dann umkreisten die Gegner einander wieder im Schnee. »Brrr«, machte Anissi fröstelnd und nahm einen Schluck von dem heißen Kaffee.
    Der Chef stürzte sich auf den Japaner, und das Knallender Knüppel wurde zu einem Geknatter. Die Waffen wurden so schnell geschwungen, daß es Anissi vor den Augen flimmerte.
    Aber der Kampf dauerte nicht lange. Masa plumpste auf den Hintern und griff sich an den Kopf. Fandorin stand neben ihm und rieb sich die getroffene Schulter.
    »He, Tulpow!« rief er vergnügt. »Wollen Sie nicht mitmachen? Ich bringe Ihnen japanisches Fechten bei!«
    Besten Dank, dachte Anissi und nahm Deckung hinter der Gardine. Vielleicht ein
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