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Russisch Blut

Titel: Russisch Blut
Autoren: Anne Chaplet
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begann sie zu weinen.
    Diesmal sah Katalina keine vermummten Gestalten durch den Gang hasten. Es schien, als ob Erins Gegenwart die Geister vertrieben hätte.
    Sie stiegen hinauf zum Kellergeschoß des Turmflügels und durchquerten die Schloßküche. Wieder hörte sie Töpfe klappern und Wasser rauschen, sah Dampfwolken, roch Herdfeuer. Eigentlich hätte der Traum verblassen müssen, je weiter sie sich von der Küche entfernten. Aber sie hatte ihn in der Nase, er wurde immer intensiver. Irgendwann schaltete ihr Gehirn. Sie träumte nicht.
    Im selben Moment riß Erin sich los und stürmte die Treppe hoch. Sie hörte sie schreien. Ein entsetzlicher, fast tierischer Schrei. Nach Alex.

3
    Katalina saß neben Zeus auf dem Boden, den Rücken an die Mauer gelehnt, und wartete darauf, daß das singende Geräusch in ihren Ohren aufhörte. Und daß sie Erins Schrei nicht mehr verfolgte. Sie hatte »Alex!« geschrien und war vorwärtsgestürmt. Alex liegt in der Krypta, tot, hatte Katalina noch gedacht und ihr hinterhergesehen, wie sie die Treppe hochlief. Seltsam, wie lange sie gebraucht hatte, um sich ebenfalls in Bewegung zu setzen.
    Der Rauch quoll ihr entgegen, schon auf der Treppe, er rollte die Stufen hinunter, driftete auseinander, ballte sich erneut zusammen und stieg wieder auf. Sie hatte sich den Ärmel ihres T-Shirts vor die Nase gehalten, als ob das etwas nützte, und war weitergelaufen, den sich entfernenden Schritten hinterher. Der Rauch brannte im Hals und in der Lunge. Es war eine Schnapsidee, Erin zu folgen, zumal Alex gar nicht hier sein konnte.
    Alex? Nicht Alex. Der Graf. Es mußte beim Grafen brennen.
    Sie hechtete der schemenhaften Gestalt hinterher. Aber der Rauch kam nicht aus den gräflichen Räumen, er quoll aus dem Stockwerk darunter. Sie hatte keine Zeit, erleichtert zu sein. Der Qualm kroch durch die Ritzen einer der Flügeltüren, der zweiten von links. Erin stand davor, riß sie auf und verschwand in einer Rauchlawine.
    Katalina legte den Kopf an die Mauer hinter sich. Sie mußte einen Laut von sich gegeben haben, denn Zeus rückte näher.
    Sie hatte vor der Tür gestanden, sich nicht getraut, Erin hinterherzugehen; sie konnte nichts sehen, konnte kaum noch atmen. Fensterscheiben klirrten. Es knisterte, es prasselte. Und dann das Rauschen, wie ein Schwarm Wildgänse, die sich alle zugleich erhoben. Der Qualm riß auf und für ein, zwei Sekunden sah sie Erin in einer Feuersäule stehen. Dann raste die nächste Rauchwalze auf sie zu.
    Katalina lehnte erschöpft den Kopf an die kühle Wand hinter ihr. Es war alles so schnell gegangen. Sie hatte nicht wahrgenommen, daß jemand sie aus der Gefahrenzone zog und nach draußen brachte. Kurz darauf traf die Feuerwehr ein. Und die Polizei. Es dauerte Ewigkeiten, bevor sich jemand fand, den sie in den dunklen Gang schicken konnte, zu Noa und Mark und Zeus. Und zu Alex.
    Die Feuerwehrautos und Krankenwagen und Polizeifahrzeuge und das Auto eines Bestattungsunternehmens waren eines nach dem anderen wieder abgefahren. Zeus hatte hysterisch gekläfft, als Moritz in den Krankenwagen stieg. Fast war sie dem Hund dankbar gewesen, daß er ihr die angstvollen Laute abnahm, die sie selbst nicht von sich geben mochte: Was ist geschehen? Ist dir etwas passiert? Wann kommst du zurück?
    Statt dessen hatte sie ihn geküßt, vor allen Leuten.
    Katalina lächelte unwillkürlich. Noch bevor der Sanitäter die Tür des Krankenwagens zuschlagen konnte, hatte sie gesehen, wie Moritz nach der Hand des Alten griff.

4
    Kriminalhauptkommissar Köster schüttelte den Kopf und starrte auf seine Fingernägel. Kriminalkommissar Sager preßte den Zeigefinger dorthin, wo seine Brille auf die Nasenwurzel stieß und rollte mit der anderen Hand einen Kugelschreiber über die Tischplatte. Drei Leichen auf einen Schlag – das hat man nicht jeden Tag in Blanckenburg, dachte Katalina, die sich schon seit dem frühen Morgen bei völlig sinnlosen Tätigkeiten ertappt hatte wie dem Polieren der blitzblanken Küchenplatte oder der Suche nach Unkraut in den bereits mehrfach gefilzten Blumenkästen.
    Der Graf sah unendlich müde aus in dem Sessel unter dem Porträt von Gawan. Moritz stand vor der Terrassentür, die Hände hinter dem Rücken, und wippte unruhig auf den Fußballen. Alma weinte, und Noa sah aus wie ein verschrecktes Kind. Zeus lag ihr zu Füßen, als ob er wüßte, wer ihn am nötigsten hatte.
    »Also alles noch einmal von vorn.« Köster räusperte sich. »Noa hier erzählt ihrem
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