Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Russisch Blut

Titel: Russisch Blut
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
dem unterirdischen Gang. Das durfte natürlich keiner der Studenten ohne Erlaubnis. Aber Noa – Noa durfte. Welcher junge Wissenschaftler mit Jagdinstinkt konnte so einem Angebot widerstehen? Gut gemacht, kleines Luder, dachte sie.
    Aber wenn ihr etwas passiert war? Und sie hatte Noa auch noch auf die Idee gebracht.
    »Ich suche nach ihr.« Sie fragte sich flüchtig, warum Alma nicht zu Alex gegangen war. Zu Peer.
    »Katalina, du bist der einzige –« Alma unterbrach sich verlegen. Der einzige Mann im Haus. Katalina kannte das schon.
    Die Küchenuhr zeigte halb drei. Sogar sie würde sich um diese Uhrzeit Sorgen um eine Fünfzehnjährige machen – zumal angesichts der Ereignisse der letzten Tage und Wochen.
    »Ich warte hier«, sagte Alma, als Katalina wieder herunterkam, in Jeans und Pullover. Sie holte die Taschenlampe aus dem Sicherungskasten, nahm Zeus an die Leine und zog die Haustür auf. Es war wieder kalt geworden, die Eisheiligen waren nicht mehr weit.
    Von der alten Burg unter dem Schloß stand nur noch der Bergfried, soweit sie wußte. Sie erinnerte sich zwar nur vage an die Stelle, an der die feine Linie auf dem Monitor des Laptops mündete, die alle für die Spuren eines unterirdischen Gangs gehalten hatten. Aber es könnte hinhauen: Der Bergfried verband den Alten Flügel und den Turmflügel. Nördlich davon hatte die Kirche gestanden.
    Zeus sah sie erwartungsvoll an. Er hatte das eine Schlappohr leicht angehoben und ließ die Zungenspitze hervorschauen. Der häßlichste sah plötzlich aus wie der dümmste Hund der Welt. Aber das täuschte. Zeus folgte seiner eigenen Nase. Er zog Katalina über den Schloßhof zum Turmflügel und strebte dorthin, wo die Schloßküche lag.
    Der große Raum mit den riesigen Herden und Töpfen und Spülbecken war eisig und roch nach Mäusedreck und Katzenpisse. Trotzdem erstaunte es Katalina nicht weiter, als sie plötzlich Dampfschwaden aufsteigen und Dienstboten umherhasten sah. Es roch nach Kartoffelsuppe. Geschirr klapperte. Und eine kleine, runde Person mit einer weißen Mütze auf dem Kopf stellte einen gefüllten Teller auf den langen Tisch in der Mitte des Raumes.
    Zeus, der begeistert herumschnüffelte, holte sie aus ihrem Traum. Er stand vor einer schmalen Tür und knurrte. Katalina öffnete ihm – in eine Art Speisekammer. Der Hund schoß hinein, die Nase auf dem Boden und dann in der Luft. Ihr Blick folgte dem Luftstrom, den die Hundenase zu erfassen schien. Mit steifen Beinen schritt das Tier auf eine weitere Tür zu. Dahinter raschelte es. Und dann schoß ein großer roter Kater aus der Tür, im Maul eine quiekende Maus. Zeus hätte ihn mit Sicherheit erwischt, wenn sie ihn nicht am Halsband festgehalten hätte.
    »Such Noa!« Aus seinen bernsteinbraunen Augen traf sie ein Blick, als würde er ihr jeden Wunsch erfüllen, nur zu gern. Aber um welchen handelte es sich bloß? Der Hund bewegte zögernd seine Rute, schien endlich einen Beschluß gefaßt zu haben und trottete mit der gleichen Selbstverständlichkeit wieder hinaus aus der Kammer, mit der er hineingelaufen war.
    Er nahm den Weg zur Treppe, die in die oberen Gemächer führte; das war der Weg zum Grafen, den kannte er. Bevor sie enttäuscht sein konnte, verschwand er hinter der Treppe. Dort ging es endlich in die richtige Richtung – nach unten.
    Die Steintreppe war schmal und uneben. An den Wänden tauchten im Schein der Taschenlampe Pfeile und Buchstaben auf, die in der Dunkelheit grünlich schimmerten. Der Weg zum Luftschutzkeller.
    Der Hund lief noch immer zielstrebig voran. Sie war kein Naturtalent, was die Orientierung in unbekanntem Gelände betraf, vor allem an so finsteren Orten wie diesem, an denen auch die Gestirne nicht halfen. Aber sie hatte das Gefühl, daß es in die richtige Richtung ging.
    Im Licht der Taschenlampe sah sie nur den schmalen Streifen vor ihren Füßen. Mörtelbrocken knirschten. Ein Luftzug streifte ihre Wange. Fast wäre sie in Zeus hineingelaufen, der stocksteif vor einer Stelle im Boden stand, die seltsamerweise freigeräumt war von Dreck und Schutt. Eine Holzklappe. Sie zog sie auf. Treppen führten nach unten. Zeus zögerte einen Moment, dann lief er voran.
    Katalina fürchtete sich nicht vor dunklen Gängen. Außerdem war das Reich hier unten nicht leer und angsterregend; es schien bevölkert von Gestalten. Julia lief vorbei auf der Suche nach Romeo, den langen Rock geschürzt, damit er nicht schmutzig wurde auf dem staubigen Boden. Soldaten marschierten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher