Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Russisch Blut

Titel: Russisch Blut
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
gesund.
    »Leopold of Wellesley Castle, genannt Leo. Er ist seit gestern so. Erst dachte ich mir nichts dabei. Aber heute – er ist ganz anders als sonst.«
    Sophie tätschelte dem Hund die Ohren. Katalina untersuchte das Tier oberflächlich. Die Körpertemperatur war normal, die Lefzen gut durchblutet. Nur der Muskeltonus war ungewöhnlich – der Hund lag viel zu entspannt da und atmete zu langsam. Jetzt begann er auch noch zu schnarchen. Sie hob sein linkes Augenlid an. Dann richtete sie sich wieder auf.
    »Haben Sie ihm ein Beruhigungsmittel gegeben? Oder eine Schlaftablette?«
    »Ich?« Sophie guckte gekränkt und überrascht zugleich.
    »Hat er vielleicht selber so etwas gefressen?« Hunde sind ewig neugierig und nagen an allem. Nichts ist unmöglich.
    Sophie schüttelte zweifelnd den Kopf.
    Katalina lächelte beruhigend. »Die Dosis dürfte nicht sehr hoch gewesen sein. Lassen Sie ihn einfach ausschlafen.«
    Sie nahm den Weg zurück, der hinter dem Schloß vorbeiführte. Als sie zur Koppel mit den beiden schwarzen Friesen kam, brachen kräftige Sonnenstrahlen durch den Dunst. Die Knospen an den Büschen glänzten prall und das vielstimmige Vogelgeschrei kam ihr plötzlich ohrenbetäubend vor.
    Die Stute raste über die Koppel, mit fliegender Mähne und pumpenden Muskeln unter dem schwarzen Fell. Das andere Tier beobachtete das Ganze mit erhobenem Haupt und mahlendem Kiefer, es wirkte erstaunt.
    Am Gatter stand Alex Kemper. »Ist das – normal?« fragte er und deutete mit dem Daumen auf das Tier, das jetzt bockte.
    »Wie man’s nimmt.« Katalina stellte sich neben ihn.
    »Es ist natürlich wieder einmal nur Daphne. Woodstock ist die Ruhe in Person.«
    Katalina setzte die Stiefelspitze auf die unterste Planke des Weidegatters und legte die Arme auf den obersten Balken. »Kein Wunder«, sagte sie. Daphne schüttelte die Mähne und stieß ein helles Wiehern aus. »Ein Wallach ist dafür nicht mehr empfänglich.«
    »Wofür, um Himmelswillen?«
    Katalina sah ihn von der Seite an. Konnte ein Pferdehalter so naiv sein? »Machen Sie sich keine Sorgen. Das hier ist ganz normal.«
    »Normal?« Kempers Stimme war schrill geworden. »Sie hat Schaum vor dem Mund!«
    Katalina mußte grinsen. »Naja – in ihrem Zustand –«
    »In welchem Zustand?« Kempers Gesicht war deutlich gerötet. Und mit einem Mal konnte sie den schwachen Geruch identifizieren, der ihr vorhin in die Nase gestiegen war. Alex Kemper hatte eine Fahne. Morgens um halb zehn.
    »Sie ist rossig.«
    Er starrte sie verständnislos an.
    »Haben Sie schon mal daran gedacht, Daphne decken zu lassen?« fragte sie so sanft wie möglich.
    Er sah sie an, als ob allein der Gedanke daran kränkend wäre. Dann drehte er sich um und ging. Sie sah ihm nach, der Gestalt in den ausgebeulten Kordhosen und der gelben Regenjacke und dachte an die Szene von gestern abend. Niemand schien in dieser Familie richtig glücklich zu sein.
    Zurück im Kutscherhaus, warf sie die Kaffeemaschine an und aß etwas von dem Brot und dem Käse, die Alma ihr gestern abend noch mitgegeben hatte. Am dringendsten war die Renovierung der Tierarztpraxis in der Stadt. Sie nahm den großen Schreibblock und ihren Füllfederhalter und machte sich an die Planung. Hoffentlich waren Blanckenburgs Handwerker schnell und verläßlich.
    Etliche Stunden, viele Tassen Kaffee und zwei Käsebrote später stand sie auf und streckte sich. Sie mußte raus, spätestens jetzt, da sich die Sonne gegen die letzten Schleierwolken durchgesetzt hatte. Und sie hatte noch nichts vom Park gesehen.
    In den Bäumen johlten frühlingstrunkene Vögel. Der Weg zum Park war gepflastert und von Gebüsch und wilden Rosen gesäumt. Jemand hatte begonnen, das Unterholz zu lichten und die Sache auf halbem Weg wieder aufgegeben. Nach wenigen Metern verzweigte sich der Weg, sie nahm den rechten Pfad. Die verschorften und zerborstenen Giganten links und rechts des Weges wiesen keine Anzeichen des grüngrauen Flaums auf, der bei anderen Bäumen den nahen Frühling signalisierte. Sie hielten ihre kahlen Äste in die Höhe, als ob die Jahreszeiten im Park von Schloß Blanckenburg außer Kraft gesetzt seien. Katalina tippte auf Eichen und Buchen. Und Ahorn, Ulmen und irgend etwas Exotisches.
    Der Weg schien immer tiefer in ein ungeordnetes Stilleben von Baumriesen hineinzuführen. Umso überraschter war sie, als sich der Baumbestand lichtete und sie plötzlich auf einer Wiese stand, nein: auf einer Art Plateau, das sich vor dem Schloß
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher