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Russisch Blut

Titel: Russisch Blut
Autoren: Anne Chaplet
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geschützt, aber meine Männer sind hungrig. Sie dürsten nach ein bißchen – Liebe.« Er stand langsam auf, ging auf Lida zu, legte ihr den Zeigefinger unters Kinn und betrachtete sie von beiden Seiten.
    »Ein hübsches Kind. Wer wird da wohl der erste sein?«
    Mathilde trat ein paar Schritte vor. »Bei wilden Hunden, durchgehenden Pferden und unbotmäßigen Menschen hilft nur eines: Haltung«, hatte ihre Mutter immer gesagt, die das in Vollendung beherrschte.
    »Herr Major.«
    »Fedor«, sagte der Major mit sanfter Stimme, ohne den Blick von Lida zu nehmen. »Nenn mich Fedor, Mathilde.«
    »Ich bin sehr enttäuscht von Ihnen!«
    Er drehte sich langsam um. Sein Gesicht war mindestens so hochmütig wie ihre Haltung. »So? Das ist aber schade! Kann ich etwas tun, um Ihre Achtung wiederzugewinnen?«
    »Lassen Sie Lida gehen. Sie ist noch ein Kind.«
    Er sah sie an, ohne die Miene zu verziehen. Dann winkte er seinen Leuten. Sie ließen das Mädchen los, das schluchzend zu Boden sank.
    »Ich danke Ihnen für Ihr großherziges Angebot, gnädiges Fräulein!« Der Major hielt Mathilde den Arm hin. Sie neigte den Kopf und folgte ihm zurück an den Küchentisch.
    Wanja spielte auf dem Klavier, das im Speisezimmer stand. Die Männer sangen. »Russisch Blut«, flüsterte der Major Mathilde ins Ohr. »Ein Liebeslied.« Die Männer tranken und rauchten. Und tranken.
    Am nächsten Tag kamen zwei russische Soldatinnen ins Haus. Sie schauten sich prüfend um und marschierten zielstrebig auf die Truhe zu, in der Elisabeth die Tischwäsche aufbewahrte. Mathilde unterbrach den Abwasch und Gudrun die Näharbeiten. Elisabeth machte eine einladende Geste, das Gesicht todernst. Bepackt mit Stapeln von weißen Damasttüchern und Servietten zogen die beiden Soldatinnen wieder davon. Die Frauen arbeiteten weiter, als wäre nichts geschehen. Nur Lida hockte auf einem Stuhl neben dem Herd, ganz nah bei Elisabeth.
    »Ich danke dir«, sagte Elisabeth leise. Mathilde blickte auf. Die Ältere sah müde aus. »Sie könnte es nicht noch einmal ertragen.«
    »Es ist nichts.« Mathilde legte das Geschirrtuch beiseite. »Es trifft ja nicht – die Seele. Oder das Herz.« Sicher war sie sich dessen nicht.
    Der Major und seine Begleiter kamen schon am frühen Abend. Fedor hatte sich rasiert, seine Haut war gerötet und glänzte. Er setzte sich an den Tisch, streckte die Beine in den Stiefeln von sich und ließ sich von Elisabeth bedienen. Gudrun blickte nicht auf, während sie ihre Suppe löffelte. Und Lida hatte sich hinter den Ofen verkrochen.
    Wanja war wieder an den Flügel gegangen und spielte und spielte. Es waren längst keine Volks- und Liebeslieder mehr, die hinüberwehten. Fast kamen ihr die Tränen, als der Junge zu Chopin überging. Eine der Nocturnes. Sie sah auf und in Fedors Augen. Heute war der Major nicht betrunken. »Ich bin Ihnen hoffentlich nicht allzu unangenehm«, sagte er leise.
    Mathilde schüttelte den Kopf. Am liebsten wäre sie aufgestanden und hätte die ganze Sache hinter sich gebracht. Der Major hob sein Glas und prostete ihr zu. Sie lächelte schwach und erwiderte den Gruß. Der Wein sah blaß aus und roch nach Staub. Fedor stand auf und reichte ihr den Arm.
    Im Schlafzimmer setzte er sich aufs Bett, zog sich unter Grunzen und Stöhnen die Stiefel aus und warf sie in die Zimmerecke, gefolgt von Jacke, Hose und Unterwäsche. Im flackernden Kerzenlicht sah er jung aus. Unerfahren. Verlegen. Sie löschte die Kerze, schlüpfte aus dem Kleid und legte sich neben ihn.
    Es war schnell vorbei. Das schlimmste war, daß er ihren Mund küssen wollte. Als er sich danach auf die Seite legte und ihr den Rücken zuwandte, um zu schlafen, hörte sie ihn murmeln: »Nur Huren lassen sich nicht küssen.«
    Sie glaubte, kein Auge zumachen zu können. Aber am nächsten Tag erwachte sie, als es schon hell war; sie war noch nicht einmal aufgeschreckt, als Fedor aufgestanden war, sich angezogen hatte und aus dem Zimmer ging.
    Ihr Körper war ihr fremd und unangenehm. Sie sehnte sich nach einem Bad. Und sie fürchtete sich vor den Blicken der anderen. Dennoch zog sie sich an und ging in die Küche.
    Elisabeth sagte leise: »Sie packen.«
    Mathilde wurde vor Erleichterung ganz schwach.
    »Mir ist das Unglück lieber, das ich kenne«, murmelte Gudrun.
    Von draußen hörte man Pferdewiehern, Fluchen und befehlsgewohnte Stimmen. Der Hof war schon fast leer. Falla, dachte Mathilde. Ich muß nach Falla sehen. Endlich glaubte sie sich aus dem Haus trauen
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