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Runterschalten

Runterschalten

Titel: Runterschalten
Autoren: Wiebke Sponagel
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eigene Steuerleistung? Konnten Sie unterwegs auch mal driften?
    Meine eigene Steuerleistung bestand darin, dass ich erkannt habe, dass ich für diesen Kurswechsel eine professionelle Unterstützung durch einen erfahrenen Coach brauche. Früher hätte ich mir das vielleicht nicht eingestanden, denn ich sage sonst immer: „Das packe ich, das schaffe ich allein.“
    Natürlich gab es Momente, in denen ich gedriftet bin. Das gehört sicherlich dazu, wenn man neue Dinge ausprobiert und sich zu neuen Ufern aufmacht. Also nicht immer zu sagen, da istdas Ziel, da steuere ich hin, sondern durchaus auch mal Dinge in Frage zu stellen und sich Zeit dafür zu nehmen.
Was würden Sie anderen Menschen raten, die auch vorhaben, runterzuschalten?
    Den einzigen Rat, den ich hier geben könnte, ist der, einfach mal über den eigenen Tellerrand zu schauen, mit oder ohne professionelle Begleitung. Jeder Weg ist umkehrbar und es ist nie zu spät für eine Richtungsänderung.
    Runterschalten aus Sicht der Unternehmen
    Wir haben gesehen, dass es viele Mythen und Meinungen über das Runterschalten gibt. Sie werden hauptsächlich aus zwei Quellen gespeist, die an der allgemeinen Meinungsbildung beteiligt sind: die Medien und unterschiedlichste Moden der US-amerikanischen Managementkultur, die uns über Berichte, Bestseller („Die Mäuse-Strategie für Manager“) und „Instrumente der Personalpolitik“erreichen. Erstere liefern nicht enden wollende Geschichten über frühere Topmanager, die neuerdings zufrieden im Wald leben. Die Botschaft heißt, es geht von ganz oben nach ganz unten.
    „Haben Sie nicht einen Ex-Manager, der jetzt Schäfer ist,“ fragte mich mal ein Journalist. Damit konnte ich nicht dienen – solche Extrembeispiele sind auch mir nur aus der Presse bekannt.
    Die hier vertretenen Beispiele zeigen, dass die Realität anders aussieht. Alle, die runtergeschaltet haben, leben zwar ohne Urlaub auf den Seychellen, aber weit entfernt vom Existenzminimum.
    Eine andere Annahme aus dem Reich der Sagen und Mythen ist, dass Menschen, die runterschalten, so etwas wie Blutsauger seien, die es sich „auf Kosten der Allgemeinheit“ gut gehen lassen. Die Hinwendung zum „Selbst“ wird gleichgesetzt mit einer Abwendung von der „Gemeinschaft“. Mal abgesehen davon, dass wohl jede Gesellschaft die Parasiten hat, die sie braucht – die Tatsache, dass man deutlicher auf sich selbst achtet, hat noch lange nichts mit Egomanie zu tun.
    Wir haben gesehen, dass Binsenweisheiten oder Mehrheitsmeinungen im Wege stehen, wenn man runterschalten will. Da geht es natürlich ganz besonders um die Kernbotschaft der Management-Rhetorik, die Anpassung fordert statt Individualität. Wer bin ich, was will ich und was kann ich sind die elementaren Fragen beim Runterschalten – was das Unternehmen will, ist aus dieser Perspektive unwichtig.
    Aber auch da gilt: Ich kenne keinen einzigen Fall von parasitärem Verhalten in Folge des Runterschaltens. Auch die hier vertretenen Beispiele zeigen, dass alle Runterschalt-Kandidaten nach wie vor einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Im Gegenteil: Ein Mensch, der mit sich im Lot ist, wird konstruktiver beitragen als jemand, der die innere Kündigung unterschrieben hat, „Frust schiebt“, und möglicherweise vorgetäuscht oder wirklich krank wird.
    Neue Trends in der Personalarbeit?
    Die Frage ist allerdings, ob diese Auffassung in den Unternehmen und ihren Personalabteilungen geteilt wird und ob es dazu überhaupt Strategien und Konzepte gibt. Denn auch über Selbstverständnis und Aufgaben modernen Personalmanagements gibt es ungezählte Mythen und Vorstellungen.
    Humanistische Auffassungen gehen davon aus, dass es eine Aufgabe der Personalarbeit sei, Menschen in Unternehmen zu fördern und zu entwickeln. Bei der Frage, wie diese Förderung aussieht, kommt allerdings durch die Hintertür wieder der Effizienzgedanke ins Spiel: Der Mitarbeiter soll dem Unternehmen nutzen – mit einer Steigerung seiner Leistung. Manche Wirtschaftspsychologen (G. Wiswede, 2000, S. 39) sprechen dem „Human-Ressourcen-Ansatz“ von vornherein humanistische Absichten ab. Stattdessen ginge es dabei hauptsächlich um eine „pragmatisch-strategische Perspektive des Ausschöpfens, Ausnützens, greller: des Ausbeutens“. Ein unfreundliches, ein marxistisches Wort, das seinen Benutzer zum unzeitgemäßen Feind jeglicher Profitorientierung abstempelt. Aber genau in diesem Spannungsfeld bewegt sich, inklusive aller
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