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Rune

Rune

Titel: Rune
Autoren: Brian Hodge
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schon so lange dastand, wie es aussah, dann waren die Telefone sicherlich nicht heißgelaufen.
    »Einmal noch!« schrie ich zu Phil. Die Bierdose zuckte wild in meiner Hand, und ich gab schrille Piepsgeräusche von mir.
    »Wie du befiehlst, Bwana.« Phil fuhr kreischend auf eine noch engere Straße, die zurück nach Süden führte. Wir wurden still und waren gespannt, was uns erwartete.
    Das Auto fuhr weiter, und bald machte die Straße eine Biegung nach rechts. Bislang sah man offenes Land, gelegentlich einen Baum. Keine Häuser. Wir trafen auf eine T-Kreuzung, und vor uns konnten wir weit mehr Bäume sehen, und Mondlicht, das auf dem Wasser schimmerte.
    »Links oder rechts?« Phil hob eine Braue.
    »Fahr rechts.«
    Zwei Linkskurven führten uns hinab zu einer asphaltierten Sackgasse bei einem Teich. Phil hielt, und wir stiegen aus, um uns zu strecken.
    »Na, was habe ich euch gesagt?« fragte ich mit nicht wenig Stolz in der Stimme.
    Twang spendete mir ein wenig Beifall. »Gut gemacht. Liegt wohl an diesem norwegischen Entdeckerblut.«
    Ich war so etwas wie ein moderner Leif Eriksson. »Hiermit erkläre ich dieses Land zur Kolonie des Staates der Alkoholvergiftung!« Ich taufte es mit einem frischen Bier und atmete die Nacht ein. Schrecklich mild für den Juni im südlichen Illinois, wie ein Vorgeschmack auf den Herbst. Und es gab kaum etwas, das ich mehr mochte, als unter einem nächtlichen Herbsthimmel mit meinen beiden besten Freunden Bier zu trinken.
    Nach dem zu urteilen, was wir erkennen konnten, erstreckte Pleasant Hills sich zwischen offenen Wiesen und dem Wald. Ungefähr dreißig Meter von unserem Parkplatz entfernt war ein großer Hain. Über uns öffnete sich ein gigantischer Himmel und zeigte uns eine Vielzahl von Sternen, die man in der Stadt nie sehen könnte.
    »Was ist das für ein Ort?« fragte Rick, als er mit seiner Gitarre über der Schulter umherwanderte. Das Instrument war fast so groß wie er selbst. Ricks Motto lautete, daß große Dinge in kleiner Verpackung daherkommen.
    Phil nahm einen Schluck Bier. »Ich glaube, ich habe vor ein paar Jahren mal was darüber in der Zeitung gelesen. Ich hatte es ganz vergessen. Irgendein Bauvorhaben, das nie zustande gekommen ist. Sie haben die Straße hierher gebaut, aber das war alles.«
    Rick beäugte das Land wie ein Kritiker. »Und wieder ein Sieg für Mutter Natur.«
    »Die Natur hatte nichts damit zu tun«, sagte Phil. »Es will nur niemand ein Haus im Nirgendwo bauen.«
    »Ach, komm schon. Du hast doch mal Phantasie gehabt. Nimm einfach an, daß das eine Ecke der Welt ist, die sich nicht zivilisieren läßt.«
    Phil rollte die Augen. »Nicht zivilisieren läßt, sonst noch was? Was glaubst du, worauf das Auto steht? Asphalt – ist doch schon recht Zivilisiert, oder nicht?«
    »Ja, ja. Doch weiter konnten sie nicht gehen.« Rick wies auf die Bäume vor uns und den Teich zu unserer Rechten. »Es ist, als hätten die Erde und die Bäume alles andere zurückgewiesen. Sie haben die Straße verlegen lassen, so daß wir herkommen konnten, und ließen dann nichts weiter zu. Begreift ihr nicht? Eine kleine Oase nur für uns.«
    Phil schüttelte den Kopf und lächelte mich an. »Nun hör’ dir unseren Joyce Kilmer hier an.«
    »Und dann hat sie gewartet und Chris Schwingungen geschickt, damit wir sie finden.« Rick schien hochzufrieden mit seiner eigenen Theorie.
    Phil hüpfte auf die Motorhaube und streckte seine unwahrscheinlich langen Beine aus. Er verspottete Rick weiterhin, während dieser seine Theorie leidenschaftlich verteidigte. Ich wanderte abseits, hin zum Hain. Ein willkürlicher Entschluß.
    Als ich näherkam, konnte ich einzelne Bäume in dem Wäldchen erkennen. Der größte stand fast außerhalb, eine große Mutter vielleicht, deren Stamm vier oder fünf Fuß breit war. Der Baum stand wie ein Turm, und Dutzende von Ästen und Zweigen breiteten sich wie kraftvolle Arme aus.
    Schwingungen, hatte Rick gesagt. Mit einem Mal schien das gar nicht mehr so abwegig.
    Als ich vor dem Baum stand, hatte ich ein gruseliges Gefühl, das die meisten wohl als déjà vu bezeichnen würden. Doch das traf es nicht ganz. Ich war noch nie hiergewesen, das wußte ich, und ich fühlte mich nicht, als wäre es anders. Aber es löste etwas tief in mir aus. Fast so, als – würde dieser Ort mich kennen. Willkommen, schien er zu sagen. Ich habe lange, lange auf dich gewartet.
    Ich stand wie angewurzelt da und starrte diesen Baum an, der über die anderen zu herrschen
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