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Ruinen der Macht

Ruinen der Macht

Titel: Ruinen der Macht
Autoren: Robert E. Vardeman
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aufgebaut hatte. Vor den 1KL hatte er - mit Ausnahme der Trainingszeit im Mechsimulator - sehr viel Zeit damit zugebracht, zu studieren, und nicht annähernd genug damit, sich körperlich fit zu halten.
    »Gute Arbeit, Master Sergeant. Weiter so«, verabschiedete sich Dale von Borodin. »Komm, Austin. Wir müssen uns beeilen, wenn wir nicht zu spät kommen wollen.«
    »Nehmen wir die Abkürzung«, schlug Austin vor. Dale nickte abwesend. Er war in Gedanken versunken. Er sprach nicht darüber, was er erfahren hatte, und Austin fragte nicht danach.
    Sie bahnten sich ihren Weg durch das Labyrinth der Gänge in der Residenz des Gouverneurs, einem erweiterten Nachbau des Winterpalastes in Sankt Petersburg auf Terra. Schließlich erreichten sie den Großen Sankt-Georgskorridor, der direkt zum Büro des Gouverneurs führte. Filigran verzierte goldene Bögen gaben Wände aus Buntglas frei, die historische Szenen aus der Geschichte Terras und der Republik der Sphäre darstellten. Austin kannte die Stellen, an denen man erkennen konnte, wo ganze Fenster ausgetauscht worden waren, als die Republik an die Stelle der Vereinigten Sonnen getreten war. Doch die allerwenigsten, die diesen Prachtkorridor hinabgingen, hätten derartige minimale Diskrepanzen je bemerkt.
    Drei Meter hohe Triptychen dienten als Türen zu Gängen, die in andere Teile des Palastes führten. Aber die exotischen Holzintarsien, die Wandgemälde, die prachtvollen Wandteppiche, selbst die außergewöhnlichen Tische aus gewundenem Kristallglas verblassten neben dem Boden. Jeder Schritt Austins drückte das Holz leicht zusammen. Das Quietschen, das sich daraus ergab, klang wie das protestierende Zirpen eines Vogels.
    Austin hatte sein ganzes Leben im Facettenpalast verbracht und fand an der kostbaren Ausstattung nichts Besonderes. Er und Dale hatten als Kinder im Westflügel gespielt, zwischen unbezahlbaren Kunstwerken, Gobelins und Möbeln, die schon vor zweihundert Jahren antik gewesen waren. Eines ihrer Lieblingsspiele hatte darin bestanden, die antiken Möbel so hoch wie möglich aufzustapeln, um die gekonnt konstruierte Decke zu erreichen. Kein einziges Mal waren die beiden Knaben gestürzt, aber es war ihnen auch nie gelungen, ihr hoch gestecktes Ziel zu erreichen.
    Als ihr Versteckspiel ernsthafteren Militärsimulationen gewichen war, hatten sie die riesigen Bibliotheken unsicher gemacht. Austin hatte Schlachten und Ausrüstung studiert, während Dale darauf gewartet hatte, dass ihm sein jüngerer, studierfreudigerer Bruder eine Zusammenfassung dessen gab, was er entdeckt hatte.
    Doch obwohl er so viel Zeit im Palast verbracht hatte, bekam Austin noch immer eine Gänsehaut, wenn er diesen speziellen Korridor entlangging, dem der ganze Palast seinen Namen verdankte: Facettenpalast. Über ihnen waren in der Decke Hunderte Kilo mikrotom geschnittene Edelsteine eingelassen. Rubine, Smaragde, Saphire, Chrysolithe, Diamanten - sie alle ließen den Großen Korridor in ihrem besonderen Licht erglänzen. Auf dem Weg den Gang hinab schien Austin durch eine Abfolge von Regenbogen zu schreiten, durch ein Kaleidoskop von Farben, die sich in einem leuchtenden Mahlstrom um ihn drehten. Und das war nur ein einziger Gang. Er kannte fünfzig andere Korridore und Säle, in denen das durch die Juwelen gefilterte Licht noch exquisiter war.
    Er schluckte mühsam, als er sich daran erinnerte, wie er sich einmal ins Schlafzimmer seiner Eltern geschlichen hatte. Der Raum war immer und für alle verboten gewesen, für Dienerschaft und Familie gleichermaßen, was die Anziehung noch verstärkte, die er auf Austin ausgeübt hatte. Eines Nachmittags hatte er sich hineingeschlichen und war in das sirupweiche Licht getreten, das von der Decke fiel und den ganzen Raum erfüllte. Die Aura, die ihn umgeben hatte, war hypnotisch und eindringlich gewesen, beinahe berauschend. Er hatte sich gerade noch verstecken können, als seine Eltern unerwartet erschienen waren. Austin erinnerte sich, wie er einen Blick auf seine - in diesem Strahlen badende - Mutter hatte werfen können, bevor er unbemerkt entkommen war. Es war das letzte Mal gewesen, dass er sie lebend gesehen hatte. Kurz darauf war sie bei einem Flugzeugabsturz umgekommen.
    Austin ging etwas schneller, und Dales Schritte wurden länger, als er sich anstrengte, mit seinem Bruder mitzuhalten. Ihre Schritte hallten den Großen Korridor entlang, bis sie die hohen, von Schnitzereien verzierten Holztüren erreichten, die den Weg zum Vorzimmer
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