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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut!
Autoren: Terry Pratchett
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charakterisieren.
    Agnes wandte sich von ihrem spitz zulaufenden Spiegelbild ab, seufzte
    und sah sich in der Hütte um, in der einst Magrat gewohnt hatte und die
    nun ihr Heim war. Ihr Blick glitt auch zu der teuren, mit einer dicken
    goldenen Kante versehenen Einladungskarte auf dem Kaminsims. Nun,
    als Hexe hatte sich Magrat ganz offensichtlich in den Ruhestand zurück-
    gezogen und war jetzt Königin – wenn es daran jemals Zweifel gegeben
    hatte, so waren diese heute ausgeräumt. Es erstaunte sie jedoch, auf wel-
    che Weise Nanny Ogg und Oma Wetterwachs noch immer über sie
    sprachen. Sie waren stolz darauf (mehr oder weniger), daß Magrat den
    König geheiratet hatte, und sie wiesen auch ständig darauf hin, es sei das
    richtige Leben für sie. Aber obwohl sie es nie laut aussprachen, hing die
    Botschaft in blinkenden mentalen Farben über ihren Köpfen: Magrat hat
    sich mit dem Zweitbesten zufriedengegeben.
    Agnes hätte fast schal end gelacht, als diese Erkenntnis in ihr heranreif-
    te, aber sie sah keinen Sinn darin, sich mit Nanny und Oma auf eine

    * Manchmal nur, um zu sagen: »Bitte hör auf damit.«
    Diskussion einzulassen. Die beiden Hexen begriffen nicht einmal, daß
    man anderer Meinung sein konnte.
    Oma Wetterwachs wohnte in einer Hütte, deren Strohdach so alt war,
    daß ein junger Baum prächtig darin gedieh. Sie stand al ein auf und ging
    al ein zu Bett, wusch sich in der Regentonne. Und Nanny Ogg war die
    einheimischste Person, die Agnes kannte. Sie war im Ausland gewesen, ja, aber sie nahm Lancre immer mit, trug die Heimat wie eine Art Hut.
    Oma und Nanny gingen immer davon aus, daß sie ganz oben standen
    und mit dem Rest der Welt so umgehen konnten, wie es ihnen beliebte.
    Perdita konnte sich kaum etwas Besseres vorstel en, als Königin zu
    sein.
    Für Agnes bestand das Beste darin, möglichst weit von Lancre entfernt
    zu sein. Das Zweitbeste war für sie, den eigenen Kopf nicht mehr mit
    jemand anderem teilen zu müssen.
    Sie rückte den Hut so gut wie möglich zurecht und verließ die Hütte.
    Hexen schlossen nie ab. Es war nicht notwendig.
    Als sie in den Mondschein trat, landeten zwei Elstern auf dem Dach.

    Die gegenwärtigen Aktivitäten der Hexe Oma Wetterwachs hätten einen
    verborgenen Beobachter verwirrt.
    Sie blickte auf die Fliesen vor der Hintertür und hob mit der Zehen-
    spitze den alten, zerfransten Vorleger an.
    Dann ging sie zur vorderen Tür, die sie nie benutzte, und wiederholte
    dort den Vorgang. Sie untersuchte auch die Risse an den Seiten beider
    Türen.
    Sie ging nach draußen. In der vergangenen Nacht hatte es strengen
    Frost gegeben – ein letzter boshafter Streich des sterbenden Winters –,
    und die welken Blätter in den Schatten waren noch immer hart und
    spröde. Oma Wetterwachs stocherte in den Blumentöpfen und Büschen
    vor dem vorderen Eingang.
    Anschließend kehrte sie in die Hütte zurück.
    Sie besaß eine Uhr. Die Lancrestianer mochten Uhren, obgleich sie
    sich kaum um Zeitspannen scherten, die viel kürzer waren als eine Stun-
    de. Wenn man ein Ei kochen wol te, sang man leise fünfzehn Strophen
    von »Wohin ist die ganze Vanille verschwunden?«. Doch an langen A-
    benden klang das Ticken recht angenehm.
    Nach einer Weile nahm Oma Wetterwachs im Schaukelstuhl Platz und
    starrte zur Tür.
    Eulen schrien im Wald, als jemand über den Pfad lief und anklopfte.
    Wer Oma Wetterwachs’ eiserne Selbstbeherrschung nicht kannte –
    man konnte ein Hufeisen an ihr verbiegen –, hätte viel eicht geglaubt, ein
    erleichtertes Seufzen zu hören.
    »Nun, es wurde auch…«, begann sie.

    Im Vogelhort war die Aufregung oben im Schloß nur ein fernes Sum-
    men. Die Habichte und Falken hockten auf ihren Stangen, verloren in
    einer inneren Welt aus Sturzflug und Aufwind. Gelegentlich klirrte eine
    Kette oder raschelte ein Flügel.
    Der Falkner Festgreifaah bereitete sich im kleinen Zimmer nebenan
    vor, als er plötzlich eine Veränderung spürte.
    Er trat durch die Tür, und eine sonderbare Stille empfing ihn. Die Vö-
    gel waren nicht nur wach, sondern wirkten regelrecht wachsam und er-
    wartungsvoll. Selbst der Adler König Henry – dem sich Festgreifaah
    normalerweise nur mit besonderer Schutzkleidung näherte – sah sich
    interessiert um.
    Auf diese Weise verhielten sich die Vögel, wenn eine Ratte in der Nähe
    war, aber der Falkner sah keine.
    Für diesen Abend hatte er den Bussard William ausgewählt, weil man
    sich auf sie verlassen konnte. Man konnte sich
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