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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut!
Autoren: Terry Pratchett
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von der Stelle gerührt. Er blickte starr geradeaus, und seine Hände zitterten. Agnes führte ihn behutsam zu einer Sitzbank und sorgte dafür, daß er Platz nahm.
    »Ich habe ihn umgebracht, nicht wahr?« flüsterte er.
»Bei Vampiren läßt sich das nur schwer sagen«, erwiderte Agnes.
    »Es gab nichts anderes zu tun! Alles wurde so einfach… Ein goldener Glanz erfüllte plötzlich die Luft, und dann kam der Augenblick, der energisches Handeln erforderte…«
    »Ich glaube, es beschwert sich niemand«, sagte Agnes. Du mußt zugeben, daß er recht attraktiv ist, flüsterte Perdita. Wenn er doch nur etwas gegen das Furunkel unternehmen würde…
    Magrat nahm auf der anderen Seite von Himmelwärts Platz und hielt das Baby in ihren Armen. Sie atmete einige Male tief durch.
»Das war sehr tapfer von dir«, sagte sie.
»Nein, das war es nicht«, erwiderte Himmelwärts heiser. »Ich dachte, Frau Wetterwachs würde etwas tun…«
»Oh, sie hat etwas getan«, sagte Magrat und schauderte. »Und ob sie das hat.«
Oma Wetterwachs setzte sich auf das andere Ende der Bank und zwickte ihren Nasenrücken.
    »Ich möchte nach Hause«, meinte sie. »Ich möchte nach Hause und eine Woche lang schlafen.« Sie gähnte. »Was gäbe ich jetzt für eine Tasse Tee.«
    »Du hast dir doch eine gekocht!« entfuhr es Agnes. »Wir waren ganz verrückt danach!«
    »Wo sollte ich hier Tee herbekommen? Es war nur eine Mischung aus Schlamm und Wasser. Aber ich weiß, daß Nanny einen Beutel irgendwo bei sich trägt.« Sie gähnte erneut. »Koch Tee, Magrat.«
    Agnes öffnete den Mund, doch Magrat winkte ab und reichte ihr das Baby.
    »Sofort, Oma«, sagte sie und drückte Agnes mit sanftem Nachdruck auf die Sitzbank zurück. »Ich stelle nur schnell fest, wo Igor den Kessel aufbewahrt.«
    Hilbert Himmelwärts trat auf den Wehrgang an den Zinnen. Die Sonne stand bereits ein ganzes Stück hinter dem Horizont, und eine leichte Brise wehte über die Wälder von Überwald. Einige Elstern schnatterten in den Bäumen unweit des Schlosses.
    Oma hatte die Ellenbogen auf eine Zinne gestützt und blickte über den sich lichtenden Nebel.
    »Es sieht nach einem schönen Tag aus«, sagte Himmelwärts glücklich. Zu seinem großen Erstaunen fühlte er sich einfach prächtig. Eine gewisse Schärfe lag in der Luft, und die Zukunft steckte voller Möglichkeiten. Er erinnerte sich an den Moment, als er die Axt geschwungen hatte, als sie beide sie geschwungen hatten. Vielleicht gab es einen Weg…
    »Später wird ein Unwetter von der Mitte heranziehen«, sagte Oma. »Nun, die Feldfrüchte können vermutlich Regen vertragen«, erwiderte Himmelwärts.
    Etwas schimmerte kurz über ihnen. Im hellen Tageslicht waren die Flügel des Phönix kaum zu sehen, zeigten sich nur als vages gelbes Glühen in der Luft. Als der Vogel hoch über dem Schloß kreiste, zeichnete sich in ihm die winzige Gestalt des Falken ab.
    »Warum sollte jemand ein solches Geschöpf töten wollen?« fragte Himmelwärts.
    »Oh, manche Leute würden alles töten, nur aus Spaß.«
»Ist es ein wahrer Vogel oder etwas, das im Innern eines Vogels…« »Es ist etwas, das existiert«, unterbrach Oma den Priester scharf. »Du
    solltest es vermeiden, dich mit Allegorie zu bekleckern.«
»Ich fühle mich… privilegiert, weil ich so ein Wesen gesehen habe.«
    »Tatsächlich? Solche Empfindungen bringe ich jedem Sonnenaufgang entgegen«, sagte Oma. »Dir ginge es vermutlich ebenso, wenn du so alt wärst wie ich.« Sie seufzte und schien dann vor allem zu sich selbst zu sprechen. »Sie wurde also nie böse, ganz gleich, was die Leute behaupten. Und bei dem alten Vampir mußte man auf Zack sein. Sie wurde nicht böse. Du hast ja gehört, wie er davon gesprochen hat. Niemand hat ihn gezwungen, das zu erwähnen. Du hast ihn doch gehört, oder?«
    »Äh… ja.«
    »Sie muß älter als ich gewesen sein. War eine verdammt gute Hexe, Nana Alison. Messerscharfer Verstand. Hatte einige kleine Eigenheiten, aber wer hat die nicht?«
    »Gewiß niemand, den ich kenne.«
»Ja. Völlig richtig.« Oma straffte die Schultern. »Gut«, sagte sie. »Äh…«
»Ja?«
Himmelwärts sah auf die Zugbrücke und die Straße hinab. »Ich sehe dort unten einen Mann, der ein von Schlamm bedecktes Nachthemd trägt und ein Schwert schwingt«, sagte er. »Viele Bürger aus Lancre und… kleine blaue Männer folgen ihm…«
    Er kniff die Augen zusammen. »Jedenfalls sieht es nach Schlamm aus.«
    »Das dürfte der König sein«, sagte Oma.
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