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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Autoren: Willibald Alexis
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Käsekrämer und Schnittwaarenhändler,« hatte der Minister nachdenkend erwidert.
    »Und doch, Excellenz,« fiel Niebuhr ein, »auch unter ihnen regt sich schon eine andere Stimmung. Ich lernte, wie Sie, dies Volk erst kennen. Aber wenn Sie es jetzt kennten, wie ich, Sie würden es Ihrer Liebe werth finden. Ich habe in diesen Tagen nirgend mehr so viel Kraft, Ernst, Treue und Gutmüthigkeit zu finden erwartet. Von einem großen Sinne geleitet, wäre dieses Volk immer der ganzen Welt unbezwingbar geblieben, und wie sturmschnell auch die Fluth unser Land überschwemmt, noch jetzt drängte ein solcher Geist sie wieder zurück. Aber wo ist er, der große Geist, der es vermöchte!« 1
    »Er wird erscheinen,« rief der Minister und seine Stirn leuchtete, indem er Niebuhrs Hand drückte, die andere reichte er Walter. »Warum sollen nur die Völker des Alterthums ihren Phönix haben! Ist das Christenthum nicht basirt auf dem Mysterium der Wiedergeburt! Sollten nur die germanischen Völker bestimmt sein, auszugehen und überzugehen in andre! Ich glaube an den Phönix, aber der Scheiterhaufen ist noch nicht hoch genug. Es muß noch vieles Morsche, Faule, Wurmstichige darin verbrennen, viel mehr, als wir wähnten, vieles, was wir gestern noch für gesund hielten, vielleicht was uns das Liebste und Theuerste war. Leben Sie wohl, meine Freunde, wir sehen uns wieder, wenn noch nicht in besserer Zeit, doch in einer, wo wir wieder hoffen dürfen.«
    In den Geschichtsbüchern steht, und es ist daraus nicht wegzulöschen, daß viele der gutgesinnten Bürger Berlins die Mahnung jenes Ministers befolgten. Sie schickten sich in die Zeit, denn es war böse Zeit. Sie schwenkten die Hüte vor dem einziehenden Napoleon und riefen Vive l'Empereur, und illuminirten ihre Häuser, daß der Kaiser selbst in jene Worte der Verwunderung, und der Schmach ausbrach, die wir nicht wiederholen wollen. Aber es gab Männer und Frauen auch, welche das Uebel beim rechten Namen nannten, und nicht erschraken, wenn es ihnen ein böses Gesicht machte. Diese Einigen waren die Kieselsteine, an denen der Stahl Funken schlagen sollte, aus denen der stille Brand ward, welcher später zum allmächtigen Feuer aufloderte. Gut Ding will Weile im deutschen Lande. Viele hat die Geschichte genannt, oder fängt jetzt an, ihre Namen zu nennen, aber wie viele sind schlummern gegangen, auf ihren Grabsteinen wächst Moos, und die Geschichte kratzt es nicht mehr ab, um von ihrem stillen Wirken Zeugniß zu geben. Da darf die Dichtung, die so viel Trauriges und Schlimmes nicht verschweigen durfte, auch an den einzelnen Muthigen erinnern, und wo wir solche Bilder muthloser Zerschlagenheit aus der preußischen Hauptstadt hinstellen mussten, um wahr zu sein, wird es zur Pflicht auch einiger Züge zu gedenken, die schon wie das ferne Wetterleuchten einer besseren Zeit am Horizont erscheinen:
    Da stand eine Deputation vor dem Gewaltigen, und er erwartete stammelnde Unterwürfigkeit, Bewunderung und demüthiges Flehen. Er konnte es erwarten nach dem, was vorging. Aber Einer im Priesterkleide trat vor und sprach: »Sire, ich wäre nicht werth des Kleides, das ich trage, des Königs, dem ich diene, des Wortes, das ich verkündige, wollte ich nicht bekennen, ich sehe – Eure Majestät nicht gern in Berlin.« – Was Napoleon erwidert, haben die Kinder der Zeitgenossen vergessen, aber im Verlauf des lebhaften Gesprächs, worin der kühne Mann den Sieger fragte, ob er denn in der Geschichte lieber als ein Räuber dastehen wolle, denn als ein christlicher Herrscher, trat der alte Erman plötzlich herzhaft auf den Kaiser zu, fasste seinen Arm, schüttelte ihn und sagte: »
Ce bras victorieux sera bienfaisant!
« Es wird erzählt, Napoleon sei erschrocken zurückgetreten. Das hätte er aus Berlin nicht erwartet. Später habe er zu seinen Adjutanten geäußert: »
quel géant que ce vieux druide! Jamais prêtre ne m'a dit cela.
«
    Erman, so weiß man, aber nicht aus dem Munde des bescheidenen Mannes, der selten davon sprach, wußte das Gespräch, als Napoleon eine gnädige Miene annahm, auf die Königin Louise zu lenken. Als warmer Lobredner der erhabenen Tugenden seiner Monarchin habe er versucht, die böse Meinung oder den bösen Willen des Kaisers zu beschämen. – Darüber ruht ein Schleier, den Niemand lüften wird. Nach der Rückkehr des Königspaares nach Berlin überreichte die Königin selbst Erman die Dekoration, welche der König ihm verliehen, mit der Anrede:
Mon chevalier!
    Der
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