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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Autoren: Willibald Alexis
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wollen, vor der wesenlosen Leere, deren Annahen Sie grauen machte, möchte ich in Ihre Seele schauen und eine Frage thun –«
    »Deren Inhalt ich mir denken kann. Geben Sie sich nicht die fruchtlose Mühe. Nur ein Wort. Nicht wahr, vor dieser Ihrer moralischen Ueberzeugung bin ich ein gräßlicher Verbrecher, weil – weil ich mit Menschenleben gespielt habe, das nehmen Sie an, zu meinem Vortheil, der Wißbegier, des Vergnügens wegen, was es sei. Nun blicken Sie um sich, links und rechts, in West und Ost, in Nord und Süd, auf die großen Spieler. Die haben gespielt und spielen fort, mit tausenden, mit hunderttausenden von Menschenleben, und ich kleiner bescheidener Bankhalter! – Ja, die haben Motive, antworten Sie, Menschenliebe, Allgemeinwohl, Religion, Freiheit und Gleichheit, Thron und Altar, Sitte und Nationalität – Herr, wer sagt Ihnen, daß ich nicht auch Motive habe, Ideen, vor denen alle Rücksichten schwinden müssen? Kann ich sie nicht auch überkleistern mit Goldschaum und Tugendfloskeln? Das wahre Motiv, Herr, das ist überall dasselbe: der Größere frißt den Kleinern, wenn er Appetit hat und sein Magen es verträgt, und der Unterschied ist nur der: die großen Verbrecher kommen in die Geschichtsbücher und wir kleinen irgendwo in ein Kriminalregister. Wenn der Wurm auf uns Mahlzeit hält, ist's uns Beiden gleichgültig, ein Stein ist mir vom Herzen gewälzt, ein Quell sprudelte in der Wüste – ich habe nichts mit der verfluchten Politik zu thun. Dieser Verstellung, dieser Heuchelei, für Andre denken, fühlen zu sollen, bin ich quitt . Mögen sie sich todtschlagen, betrügen, verreden, glorificiren, wie sie Lust haben, mich kümmert's nicht mehr. Von nun an bin ich wahr, ja, mein Herr, ich fühle ganz die Seligkeit der Wahrheit, ich athme, kämpfe, lebe nur für mich.«
    Die Gerichtsdiener waren eingetreten. »Haben Sie mir nichts mehr zu sagen? Wir sehen uns wahrscheinlich zum letzten Mal.«
    »Das würde ich aufrichtig bedauern.« – »Nicht die Baronin Eitelbach, deren –« »Deren Glück ich gemacht, wollen Sie andeuten,« lachte Wandel auf. »Wider Willen allerdings, wenn es wäre! Wenn ihre Wunden und seine Wunden geheilt, die Trauermonate mit honetten Thränen anständig verweint sind, wird sie ihn heirathen, und wenn ich an das Glück dieser geistreichen Ehe denke – wahrhaftig, dann wird mein Gefängniß mir noch einmal so interessant erscheinen.« – »Und keinen Wunsch mehr?« – »Nur eine Bitte. Haben Sie die Güte und empfehlen mich der Frau Geheimräthin Lupinus. Ich traue ihr zwar zu, daß wenn sie von dem Evenement hört, eine kleine Schadenfreude in ihr aufblitzt. Warum nicht, sie bleibt doch eine charmante Frau. Wir verstanden uns, es war eine wirkliche Sympathie. Durch Mauern und Räume getrennt, werden wir noch mit einander leben, eine platonische Ehe; um so sicherer, denn unter einem Dach hätte sie mir doch vielleicht, aus Rache oder Liebe, einen ihrer Tränke gereicht, die für meinen Geschmack zu stark sind. Es hat sich so besser gefügt.«
     
    * * *
     
    Die Kutsche mit dem Gefangenen musste oft anhalten. Wagen, schwer rasselnd unter starker Militärescorte, versperrten die Straße. Es waren die Kassen, welche der neue Minister fortschaffen ließ. »So wird doch etwas gerettet,« murmelte der Transportirte. »Und wenn Preußen sagen kann: Tout est perdu, sauf l'argent, ist's am Ende ein Anfang zu einer neuen Existenz.« Walter van Asten gab aus dem Fenster des Ministers den Kommandirenden beim Transport Anweisungen. Auch der Geheimrath Alltag schien unter Denen, welche auf ihn hörten. Wandel, der den Zusammenhang gefasst, lächelte: »Die Welt dreht sich um: das kann was werden! Wer Geld bringt, kann eine Karriere machen. Die beste freilich wäre es, wenn der junge Mensch damit nach Amerika liefe.«
    Walter, der sich dem Auftrage des neuen Ministers mit Eifer unterzogen, war gekommen, um seinen letzten Bericht abzustatten. Er hoffe das Geld mit sichern Renten an den Ort seiner Bestimmung abzuliefern, aber – sein Bericht über die Volksstimmung war traurig, er hegte keine Hoffnungen, nach dem, was er gesehen, gehört. »Wie Jeder beobachtet.« sagte der Bankodirektor Niebuhr der ebenfalls vom Minister Abschied nahm. »Niemand kann an allen Orten zugleich sein.« »Diese jubelnden Tramknechte, diese gepressten Bauernbengel die froh sind, dem Stock und der Fuchtelklinge einmal entlaufen zu sein, sind freilich so wenig das Volk, als da die zitternden
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