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Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)

Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)

Titel: Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
Autoren: Tanya Carpenter
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dem Moment, als ich es spürte, hatte ich zutiefst bedauert, es zu verlieren. Doch Sekunden später war es verschwunden. Da war nur noch Gleichgültigkeit und etwas wie Erleichterung. Als sei ich endlich etwas losgeworden, das nicht zu mir gehörte.
    Ich wusste, was es war. Das letzte Stückchen Menschlichkeit, das noch in mir geblieben war. Das ich wie einen Schatz gehütet hatte. Meine menschliche Seele. Über die Jahre hatte ich sie gerettet. Hatte sie mit meiner Vampirseele in Einklang gebracht, damit sie nicht zerbrach. Und jetzt war all das verloren.
    Der Kampf mit Kaliste war vorüber. Doch ein anderer stand mir noch bevor. Ich hatte Lucien um eine Unterredung unter vier Augen gebeten. Schweigend stand ich am Fenster und blickte in den Londoner Regen hinaus, als er kam. Ich hörte ihn, ließ es mir jedoch nicht anmerken. Er spürte die Anspannung in mir. Den mühsam beherrschten Zorn. Und er hatte Angst davor. Ein Gefühl, das ich von ihm nicht kannte. Ich war nicht mehr dieselbe. Würde es nie wieder sein. Und das wusste er.
    „Ich fühle gar nichts mehr, Lucien“, begann ich und meine Stimme klang fremd in meinen eigenen Ohren. Tot und leer. „Überhaupt nichts mehr. War es das, was du für mich wolltest? Dass ich meine Menschlichkeit verliere und – nichts mehr fühle?“
    Er wich meinem Blick aus, wusste nicht, was er sagen sollte.
    „Du hast mich ausgewählt“, fuhr ich fort. „Du hast mich vorbereitet. Damit ich siegen würde. Dein Wille – von Beginn an. Durch mich zu herrschen, wenn ich die Königin töte. Mit deinem Blut hast du die Sterbliche an dich gebunden, damit der Vampir zu dir kam, dich zum Lehrer wählte. Und du hast mich gelehrt. Mit Berechnung. Lucien.“
    Ich hauchte seinen Namen wie Nebel und die Kälte in meiner Stimme traf sein Herz. Ich konnte es in seinen Augen sehen und daran, wie er erschauerte. Ich kam ihm näher, bis ich nur noch Millimeter von ihm entfernt stand, küsste seine starren Lippen, berührte die kalte, harte Marmorhaut seiner Wange. Er zeigte keine Regung.
    „Du wolltest dir meiner sicher sein. Du wolltest, dass ich es für dich tue, nicht wahr? Mein Geliebter! Hast du darauf gehofft? Damit du an meiner Seite herrschen könntest? Doch leider ist deine Rechnung nicht aufgegangen. Du hast es nicht geschafft, meine Menschlichkeit zu zerstören. Vielleicht hat es Kalistes finsteres Blut geschafft, doch ich habe noch immer die Hoffnung, dass ich es überwinde. Denn ich bin nicht allein. Ich habe Armand – du hast niemanden.“
    „Ich habe alles für dich getan“, presste er mühsam hervor. „Alles riskiert, um dir den Weg zu ebnen. Habe mich selbst in Gefahr gebracht und mein Leben für dich riskiert. Sogar den Dolmenwächter auf deine Seite gezogen. Und so dankst du es mir. Sein Blut hat erst den Unterschied gemacht.“
    Ich musste lachen über seine Beharrlichkeit, mehr noch über seine Furcht vor mir, die völlig grundlos war.
    „Blut. Das ist alles, worum es dir geht. Blut und Macht. Was wirklich wichtig ist, zählt für dich nicht. Freundschaft, Liebe, Vertrauen.“
    „Wir brauchen so etwas auch nicht. Dergleichen taugt nicht für einen Vampir. Du hast gesehen, welche Macht wir besitzen, spürst sie jetzt in dir, stärker als in jedem anderen von uns. Aber selbst jetzt schaffst du es nicht, dich davon zu lösen und anzunehmen, was dir geschenkt wurde.“
    „Spar dir deine Reden, Lucien, sie beeinflussen mich nicht mehr. Dein ‚Geschenk’ ist mir vielmehr ein Fluch. Du wirst bleiben, was du immer warst. Einer der Lords. Nicht mehr und nicht weniger. Ich teile meine Macht nicht mit dir. Nicht, weil ich sie für mich beanspruche. Oh, ich würde sie liebend gern an jemand anderen geben. Ich habe kein Interesse an der Herrscherwürde. Aber dir gebe ich sie nicht, weil ich weiß, dass du sie genauso für deine eigenen Pläne missbrauchen würdest wie Kaliste.“
    Er erkannte, dass er gescheitert war. Dass all seine Intrigen und klugen Schachzüge ihm nicht den Sieg brachten, weil ich ihm die Stirn bot.
    „Was du getan hast, schmeckt bitter wie totes, krankes Blut. Ich könnte dich jetzt hassen. So sehr, dass ich deinen Tod wünschte. Aber du bist mir egal, Lucien.“
    Eine Weile herrschte Schweigen zwischen uns. Ich spürte seinen inneren Kampf, seine Enttäuschung und seine Wut. Ja, er hatte viel riskiert und einen Preis bezahlt. Aber nicht hoch genug.
    Ich wendete mich ab und ging zum Fenster zurück. Lucien folgte mir nicht. Ich schaute wieder hinaus in
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