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Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)

Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
Autoren: Tanya Carpenter
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lichtete, stand ich plötzlich inmitten eines alten, armselig eingerichteten Bauernhauses. Die Bilder wurden jetzt langsamer als die aus Armands sterblichem Leben. Weil diese Erinnerungen stärker in ihm verankert waren. Ein alter Mann stand in einer Ecke am Herd und paffte seine Pfeife. Auf seiner Stirn waren tiefe Sorgenfalten, während er das Feuer schürte, über dem man Wasser zum Kochen brachte. Eine Frau mit blutverschmierter Schürze – seine Frau – stürzte herbei und riss den Kessel vom Herd, so dass das Wasser überschwappte.
    „Tücher, Vincent! Bring noch mehr saubere Tücher“, wies sie einen kleinen Jungen an, den ich bisher gar nicht bemerkt hatte. Mit ängstlicher Miene rannte der Junge los.
    „Armes Ding!“, sagte der Mann. „Wird sie’s wohl schaffen?“
    „Das liegt in Gottes Hand“, antwortete seine Frau und verschwand im Nebenzimmer. Ich folgte ihr, als ich jemanden „Armand!“ schreien hörte, und sah im Bett, schweißgebadet, eine Frau mit roten Haaren – meine Göttin, war ich das etwa? – aber nein, es war Madeleine. Ein neugeborener Junge schrie und lag zitternd in den Armen einer anderen Frau. Das musste die Hebamme sein. Sie durchtrennte gerade die Nabelschnur und brachte den Jungen dann fort. Warum legte man ihn seiner Mutter nicht in die Arme? Ich ging zum Bett hinüber, um nach Madeleine und sehen, und dann verstand ich. Man brachte den Jungen fort, weil seine Mutter bereits tot war. Ihr schönes Gesicht zeigte nur schwache Spuren des Schmerzes, den sie bei der Geburt erlitten hatte. Doch es war wächsern und mit einem dünnen Schweißfilm überzogen. Zitternd streckte ich die Hand aus, um ihr die Augen zu schließen. Doch das tat die Bäuerin bereits. Der kleine Vincent kam gerade herein, keuchend, mit einem Bündel Leinentücher auf dem Arm. Seine Mutter drehte sich kopfschüttelnd zu ihm um. Der Junge brach in Tränen aus, ließ die weißen Tücher fallen. Sie wurden ganz schmutzig. Am Fenster gewahrte ich einen Schatten, doch er war fort, noch ehe ich ihn wirklich gesehen hatte. Dennoch wusste ich, es war Armand. Und Madeleine hatte ihn vielleicht gesehen, als sie seinen Namen rief. Die Bilder verschwammen wieder. Sekunden später sah ich mich erneut Lemain gegenüber. In einer vornehmen, üppig ausstaffierten Stadtwohnung mitten in Paris. Edelste Stoffe und Teppiche, antike Möbel und überall ägyptische Skulpturen und Bilder. Zwei schwarze Diener in dunkelblauer Livree standen stumm und gleichgültig links und rechts von der Tür, als würden sie gar nicht bemerken, dass die beiden Vampire heftig miteinander stritten.
    „Du hattest kein Recht, es vor mir zu verbergen! Und jetzt ist sie tot“, fauchte Armand.
    „Welchen Unterschied hätte es gemacht, wenn ich es dir gesagt hätte? Sie wäre so oder so gestorben. Oder hättest du sie vielleicht auch in die Nacht holen wollen?“, gab Lemain unbeeindruckt zurück. „Noch dazu mit einem Balg im Leib. Wie hätte das gehen sollen? Es wäre gestorben bei der Wandlung. Hättest du den Mord an deinem eigen Fleisch und Blut auf dem Gewissen haben wollen?“
    Armand starrte seinen Schöpfer fassungslos an. „Du willst sagen, ich hätte es gekonnt?“
    „Natürlich hättest du es gekonnt“, erwiderte Lemain abfällig. „Jeder von uns ist fähig, das zu tun. Aber welchen Sinn hätte das bei ihr gemacht?“
    „Du Bastard!“, schrie Armand und stürzte sich in blinder Wut auf seinen Dunklen Vater. „Ich hätte sie retten können! Ich hätte sie retten können!“
    Das prunkvolle Zimmer verschwand. Lemain mit ihm. Wir waren in einem Landhaus, ebenfalls edel ausgestattet, aber nicht so überladen wie die Wohnung in Paris. Armand kniete vor einer älteren Frau. Der Junge, den ich erst Augenblicke zuvor in dem Bauernhaus gesehen hatte, lag in einer Wiege neben den beiden.
    „Du wirst dich um ihn kümmern, chère Maman?“
    „Natürlich, mein Sohn. Es tut mir so Leid um Madeleine.“ Sie legte ihm tröstend eine Hand auf die Schulter.
    „Niemand darf erfahren, dass er unehelich ist“, bat Armand eindringlich. „Sag allen, wir hätten im Exil in der neuen Welt geheiratet. Justin ist mein legitimer Sohn, auch wenn er nie der Erbe unseres Titels sein wird.“
    „Mach dir keine Sorgen. Er ist ein Toulourbet, und es wird ihm an nichts fehlen. Aber warum willst du nicht hier bleiben, mein Sohn?“ Ich sah den hoffnungsvollen Schimmer in ihren Augen. Und Armand hatte ihn ebenfalls gesehen. Damals. Vor so vielen Jahren. Es
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