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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht
Autoren: Karen Ranney
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hatte Jeanne mit ihnen bekannt machen wollen, bevor er beim Comte um ihre Hand anhielte.
    Statt von Jeanne begrüßt zu werden, war er am schmiedeeisernen Eingangstor von einer hochgewachsenen, schlanken Frau mit dunkelrotem Haar und patrizischen Zügen abgefertigt worden.
    »Sie ist nicht da«, erklärte die Hausdame Justine ihm von oben herab.
    »Was soll das heißen? Sie
muss
da sein!«
    »Mäßigt Euch, junger Herr.« Justine lächelte ihn durch das Gitter an, aber es war ein amüsiertes Lächeln.
    »Wo ist sie?« Er hielt den Atem an, denn aus irgendeinem Grund schwante ihm nichts Gutes.
    »Fort.« Knapp und gleichgültig.
    »Hat sie nichts für mich hinterlassen?«
    Kopfschütteln.
    »Keine Nachricht? Keinen Brief?«
    Justine lachte spöttisch. »Was sollte in einem solchen Brief denn stehen, junger Herr? Dass sie Euch über die Maßen liebt? Dass alles zum Besten steht mit einer gemeinsamen Zukunft? Die wird es für sie und Euch nicht geben.«
    »Weil ich kein Franzose bin?« Er hatte zwei Jahre an der Sorbonne studiert, lange genug, um sowohl die Sprache zu beherrschen, als auch die Abneigung der Franzosen gegen alles Fremde zu kennen. Die Pariser waren überzeugt, dem Rest der Welt überlegen zu sein. »Meine Familie stammt aus Nova Scotia«, argumentierte er, aber Justine hatte nur wieder gelacht.
    »Gleichgültig, woher Eure Familie stammt – Ihr seid kein Mann von Stand und werdet es nie sein.«
    Er kramte eine Handvoll Münzen aus der Tasche und streckte sie Justine hin.
    »Sagt mir, wo sie ist«, bat er.
    »Ich werde nicht mein Leben riskieren, indem ich es Euch verrate, junger Herr«, erwiderte sie. »Außerdem will sie Euch nicht sehen.«
    »Das möchte ich von ihr selbst hören.«
    »Ihr glaubt mir nicht?« Wieder dieser amüsierte Blick. Sein ungutes Gefühl wurde stärker.
    »Der Comte kann dafür sorgen, dass Ihr verschwindet und nie wieder auftaucht«, sagte sie. »Wollt Ihr das?«
    »Ich will Jeanne sehen – ich bleibe hier, bis sie herauskommt.«
    Wie starrköpfig und wie blind verliebt er gewesen war.
    »Sie hat Paris verlassen.«
    Sein Magen wurde zum Bleiklumpen, als Justines jetzt beinahe mitleidiger Ausdruck darauf hindeutete, dass sie die Wahrheit sprach.
    »Wo ist sie?«, fragte Douglas, obwohl er ahnte, dass die Antwort ihn unglücklich machen würde.
    Justine warf einen Blick zum Palais und wandte sich dann wieder Douglas zu. »Es wurde mir aufgetragen«, sie sprach langsam, wählte ihre Worte sorgfältig, »Euch zu sagen, dass sie nach Vallans geschickt wurde. Sie erwartet ein Kind und ist in Ungnade gefallen.«
    Der Schock hatte ihn sprachlos gemacht.
    »Ihr werdet sie nicht wiedersehen, junger Herr. Dafür wird der Comte sorgen. Außerdem will sie nichts mehr mit Euch zu schaffen haben – Ihr habt ihr nichts als Kummer bereitet.«
    Damit ließ Justine ihn stehen.
    »Könnt Ihr denn gar nichts tun?«, hatte er ihr nachgerufen.
    Justine drehte sich um und bedachte ihn wieder mit diesem amüsierten Blick. »Sie kehrt nicht nach Paris zurück, junger Herr. Nach der Niederkunft wird sie ein neues Leben beginnen.«
    Es fing an zu regnen, aber er harrte drei Stunden aus, starrte unverwandt durch das Gitter zu dem Fenster hinauf, von dem aus Jeanne ihm Zeichen zu geben pflegte. Die Vorhänge waren zugezogen, keine Lebenszeichen zu sehen. Kein lächelndes Gesicht. Kein Winken. Nichts. Irgendwann drang es in sein Bewusstsein, dass sie Paris wirklich und wahrhaftig verlassen hatte – und ihn. Aber er gab erst auf, als es dunkel wurde.
    Douglas setzte sich an seinen Schreibtisch und legte einen bestiefelten Fuß auf die Ecke der Platte. Er hatte sich Unterlagen aus dem Kontor mitgebracht, aber die Erinnerung hatte ihn noch so fest im Griff, dass er beschloss, die Durchsicht des Kaufvertrags für das Grundstück in London auf morgen zu verschieben.
    Jeanne war jetzt Gouvernante und auf eine Art gekleidet, wie vor zehn Jahren nicht einmal ihre Dienstboten gekleidet gewesen waren. Aber ihr gesellschaftlicher Abstieg genügte ihm nicht. Er wollte, dass sie litt. Nicht als Strafe für das, was sie ihm angetan hatte, sondern als Strafe für eine verabscheuungswürdige Tat.
    Hartleys unlautere Absichten könnten ihm allerdings einen Strich durch die Rechnung machen.
Ein Leckerbissen.
Das Wort empörte ihn ebenso wie der lüsterne Ton. Der Teufel sollte Hartley holen.
    Douglas erhob sich, verließ die Bibliothek und ging zur Hintertür hinaus, stieg die Treppe zum Quartier des Kutschers über
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